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Die unvollendete Autobiographie, Seite 168 ff. (engl.)
fragliche Stelle eingeschoben. Das habe ich nie getan, auch wenn ich nicht immer mit ihm übereinstimme oder ihn verstehe, und ich möchte wiederholen: ich habe genau das veröffentlicht, was der Tibeter gesagt hat. Das kann ich nicht genug betonen.

Auch behaupten manche Schüler, wenn sie persönlich nicht verstehen, was der Tibeter meint, seine sogenannten Zweideutigkeiten beruhten darauf, dass ich das von ihm Gesagte nicht richtig aufgenommen hätte. Solche Zweideutigkeiten oder unklar erscheinende Stellen - deren es ziemlich viele in seinen Büchern gibt - beruhen auf der Tatsache, dass es ihm wegen der Beschränkungen seiner Leser einfach nicht möglich ist, sich klarer auszudrücken und dass es ihm schwer wird, Worte zu finden, die neuartige Wahrheiten und jene intuitiven Wahrnehmungen auszudrücken vermögen, die noch zögernd an den Grenzen des sich entfaltenden menschlichen Bewusstseins verweilen.

Die vom Tibeter geschriebenen Bücher werden von den Lehrern als wichtig betrachtet, die für die Bekanntgabe der neuen Wahrheiten, welche die Menschheit braucht, verantwortlich sind. Es sind ausserdem neue Richtlinien für geistige Schulung und für die Vorbereitung von Aspiranten auf die Jüngerschaft herausgegeben worden. Grosse Veränderungen hinsichtlich Methode und Technik sind im Gang, und eben deshalb hat sich der Tibeter besondere Mühe gegeben und dafür gesorgt, dass ich keine Fehler mache.

In der zweiten Phase des Weltkrieges, die im Jahr 1939 begann, stellten sich viele Pazifisten und wohlmeinende, jedoch gedankenlose Arkanschüler und andere Leute, soweit wir sie erreichen konnten, auf den Standpunkt, dass ich selbst die Flugschriften verfasst hätte, die für die Vereinten Nationen eintraten und die Vernichtung der Achsenmächte als notwendig bezeichneten, und dass der Tibeter für die nazifeindliche Einstellung dieser Artikel keine Verantwortung trüge. Das entspricht ebenfalls nicht der Wahrheit. Die Pazifisten stellten sich auf den orthodoxen und idealistischen Standpunkt, dass Gott, weil er ein Gott der Liebe ist, unmöglich antideutsch oder antijapanisch sein könne. Weil Gott Liebe ist, blieb ihm, und ebenso der unter Christus wirkenden Hierarchie, nichts anderes übrig, als unbeirrt auf seiten derer zu stehen, welche die Menschheit von Sklaverei, Boshaftigkeit, Angriff und Korruption zu befreien suchen. Nie ist das Christuswort wahrer gewesen: «Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich» (Matthäus 12, 30). In seinen damaligen Schriften nahm der Tibeter eine feste und unbeirrbare Stellung ein, und heute (1945) hat sich angesichts der unsagbaren Schreckenstaten, Grausamkeiten und Versklavungsmethoden der Achsenmächte seine Stellungnahme als durchaus gerechtfertigt erwiesen.

Inzwischen spitzte sich die Lage in Krotona immer mehr zu. Wadia war (als Vertreter von Frau Besant) in Krotona eingetroffen, was die Schwierigkeiten neu aufrührte, und wir arbeiteten in vollstem Mass mit ihm zusammen, um die Theosophische Gesellschaft zu ihrer ursprünglichen Zielsetzung, der allgemeinen Bruderschaft zurückzulenken. Wir arbeiteten mit ihm zusammen, weil Wadia damals vernünftige und gesunde Ansichten zu haben schien und ihm das Interesse der Gesellschaft offenbar am Herzen lag. Die Kluft innerhalb der Gesellschaft erweiterte sich ständig, und der Gegensatz zwischen denen, die sich auf den demokratischen Standpunkt stellten und denjenigen, die für geistige Autorität und vollkommene Beherrschung der Theosophischen Gesellschaft durch die Esoterische Sektion eintraten, verschärfte sich zusehends.

Die ursprüngliche Verfassung der T. G. gründete sich auf die Autonomie der Logen innerhalb der einzelnen, nationalen Bezirke, aber als Foster Bailey und ich in der Bewegung zu arbeiten begannen, hatte sich die ganze Lage von Grund auf geändert. Nur wer Mitglied der E. S. war, wurde als Beamter in einer Loge eingesetzt, und auf diese Weise kontrollierten Frau Besant und die Leiter in Adyar jeden Bezirk und jede einzelne Loge. Wer sich dem Diktum der E. S. Mitglieder in irgendeiner Loge nicht fügte, der fiel in Ungnade, und dadurch wurde es ihm praktisch unmöglich, in dieser Loge weiterhin tätig zu sein. Die Bezirkszeitschriften und auch das internationale Organ «The Theosophist» beschäftigten sich in der Hauptsache mit Persönlichkeitsfehden. Ganze Artikel wurden zum Angriff auf einzelne oder zu deren Verteidigung benutzt. Aufgrund der psychischen Verkündigungen des Herrn Leadbeater und seines grossen Einflusses über Frau Besant machte sich eine Woge von Psychismus in der Gesellschaft stark bemerkbar. Die Nachwehen des Leadbeater-Skandals verursachen immer noch viel Gerede. Frau Besants Erklärungen in bezug auf Krishnamurti führten zu grossen Spaltungen innerhalb der Gesellschaft. Auf Grund angeblicher Weisungen von einem der Meister an den Äusseren Leiter wurde von Adyar aus verfügt, dass jedes Mitglied der Theosophischen Gesellschaft sich wenigstens in einer, wenn nicht in allen drei Abteilungen betätigen müsse - im Co-Masonischen (Freimaurer) Orden, im Dienstorden und in einer pädagogischen Bewegung. Wer das nicht tat, galt als untreu und als schlechter Theosoph, da er den Weisungen der Meister nicht gehorchte.

In Adyar erschienen Bücher von Leadbeater, die rein psychischer Natur waren, sich unmöglich nachprüfen liessen und einen starken Unterton von Astralismus aufwiesen. Eines seiner Hauptwerke «Der Mensch: Woher, Wie und Wohin» war mir ein Beweis für die grundsätzliche Unglaubwürdigkeit seiner Schriften. In diesem Buch beschreibt er die Zukunft und das Wirken der künftigen Hierarchie, und ich fand es besonders merkwürdig und erstaunlich, dass die Mehrzahl der für hohe Ämter in der Hierarchie und in der kommenden Zivilisation vorgemerkten Leute durchwegs Herrn Leadbeaters persönliche Freunde waren. Ich kannte einige von diesen Leuten - sie waren ehrbar, nett und mittelmässig, keine intellektuellen Riesen und in der Mehrzahl vollkommen unbedeutend. Ich war in der Welt herumgekommen und hatte so viele Menschen kennengelernt, von denen ich wusste, dass sie wirksamere Weltdienste leisten, Christus auf klügere Art dienen und die Bruderschaft besser vertreten konnten, und das öffnete mir die Augen für die Wert- und Nutzlosigkeit dieser Art von Literatur.

Aufgrund dieser verschiedenen Vorkommnisse traten viele Mitglieder aus Ärger und Bestürzung aus der Theosophischen Gesellschaft aus. Ich habe oft darüber nachgedacht, wie sich das Schicksal der T. G. wohl gestaltet hätte, wenn sie sich nicht hätten herausdrängen lassen und für die geistige Grundlage der Bewegung eingetreten wären. Sie taten es aber nicht, und eine grosse Anzahl von wirklich wertvollen Menschen schied aus, da sie sich entmutigt und behindert fühlten und ausserstande waren, weiter mitzuarbeiten. Ich persönlich trat nie aus der Gesellschaft aus und erst vor wenigen Jahren habe ich aufgehört, meine Jahresbeiträge zu zahlen. Ich erwähne dies alles ziemlich eingehend, weil es sich dabei um Umstände und Vorgänge handelt, die gewisse Veränderungen nötig machten, aus denen heraus unser Werk für die nächsten zwanzig Jahre allmählich Gestalt annahm.

Die Jünger aller Meister sind allerorten in der Welt anzutreffen. Sie betätigen sich auf verschiedene Art und Weise, um die Menschheit zum Licht zu führen und das Reich Gottes auf Erden zu verwirklichen. Die Theosophische Gesellschaft betrachtet sich jedoch als die alleinige Vermittlerin und weigert sich, andere Gruppen als wesentliche und gleichwichtige Teile der Theosophischen Bewegung in der Welt (im Gegensatz zur Theosophischen Gesellschaft) anzuerkennen; und das ist der hauptsächliche Grund für ihren Prestigeverlust. Vielleicht gelingt es der T. G., wenn auch reichlich verspätet, sich doch noch zu ändern und aus ihrer Isolierung und Sonderstellung herauszutreten, um sich der grossen Theosophischen Bewegung einzugliedern, die heute die Welt durchflutet. Diese Bewegung findet nicht nur in den verschiedenen okkulten und esoterischen Körperschaften ihren Ausdruck, sondern auch in den Arbeiter-Gewerkschaften, in den Plänen für Welteinheit und Nachkriegs-Rehabilitierung, in der neuen Vision auf politischem Gebiet und in der Anerkennung der Nöte und Bedürfnisse der gesamten Menschheit. Die Entartung ihrer ursprünglichen, wundervollen Triebkraft bricht denen von uns das Herz, welche die Prinzipien und Wahrheiten lieben, für welche die Theosophie ursprünglich eintrat.

Es besteht gar kein Zweifel, dass die von Helena Petrovna Blavatsky eingeleitete Bewegung ein wesentlicher Bestandteil des hierarchischen Planes war. Es hat seit jeher theosophische Vereinigungen gegeben - der Name der Bewegung ist nicht neu -, aber H. P. B. brachte soviel Licht in sie hinein und machte sie so allgemein bekannt, dass ihr Weckruf eine bis dahin vernachlässigte und ziemlich geheime Gruppe an die Öffentlichkeit brachte und dieser uralten Lehre bei der breiten Masse Gehör verschaffte. Dafür, dass Frau Besant die grundlegenden Lehrsätze der T. G. der breiten Masse der Menschen aller Länder zugänglich gemacht hat, schuldet ihr die Welt mehr, als sie je abtragen kann. Es liegt durchaus kein Grund vor, die ungeheure und hervorragende Arbeit ausser acht zu lassen, die sie für die Meister und für die Menschheit geleistet hat. Die Leute, die sie während der letzten fünf Jahre so scharf angegriffen haben, erscheinen mir nicht wichtiger als Flöhe, die einen Elefanten beissen.

Im Jahr 1920 erreichte die ganze Spannung ihren Höhepunkt. Die Kluft zwischen den Vertretern der Autorität der E. S. und den mehr demokratisch gesinnten Mitgliedern in der T. G. wurde immer grösser. In Amerika vertraten Mr. Warrington und die Leiter der E. S. samt ihren verschiedenen Landesvertretern die eine Gruppe, während die andere damals von Foster Bailey und B. P. Wadia geleitet wurde. So war die Lage, als die berühmte Tagung in Chicago im Sommer des Jahres 1920 stattfand. Ich hatte nie in meinem Leben an einer Tagung teilgenommen, und wenn ich sage, dass ich enttäuscht, angeekelt und entrüstet war, so ist das milde ausgedrückt. Es kam dort eine Gruppe von Männern und Frauen aus allen Teilen der Vereinigten Staaten zusammen, die sich angeblich mit der Verkündigung und Verbreitung von Bruderschaft befassten. Die Gehässigkeit und Verbitterung, die persönliche Animosität und politische Drahtzieherei waren derartig abscheulich und empörend, dass ich mir gelobte, in meinem ganzen Leben nie wieder einer Theosophischen Tagung beizuwohnen. Nach Mr. Warrington waren wir die rangältesten Beamten der T. G., aber wir bildeten nur eine kleine Minorität. Es war vom ersten Augenblick der Tagung an offensichtlich, dass die E. S. die Zügel in der Hand hatte und dass diejenigen, die für Bruderschaft und Demokratie eintraten, hoffnungslos überstimmt und somit besiegt würden.

Es gab Theosophen bei den Autoritätsvertretern, die sich dort recht unglücklich fühlten. Sie standen im Bann der E. S., waren aber über die von ihr angewandten Methoden empört. Viele von ihnen taten ihr Möglichstes, um uns rein persönlich ihre freundliche Gesinnung zur beweisen. Als die Tagung zu Ende ging, waren einige von ihnen von der Richtigkeit unseres Standpunktes überzeugt, und sie sagten uns das auch. Andere, die unvoreingenommen zur Tagung gekommen waren, stellten sich auf unsere Seite und halfen uns, so gut sie konnten. Trotz allem wurden wir hoffnungslos besiegt und die E. S. triumphierte durch ihr aggressives Vorgehen. Es blieb uns nichts anderes übrig, als nach Krotona zurückzukehren. Die Lage entwickelte sich so, dass Mr. Warrington als Leiter der Theosophischen Gesellschaft in Amerika abdanken musste, obwohl er seine Stellung in der E. S. beibehielt. Sein Nachfolger wurde Mr. Rogers, der sehr scharf gegen uns eingestellt war und uns das auch persönlich weit mehr fühlen liess als Mr. Warrington. Letzterer achtete unsere ehrliche Überzeugung, und abgesehen von unseren Meinungsverschiedenheiten organisatorischer Art bestand ein sehr enges Freundschaftsverhältnis zwischen Mr. Warrington, Foster und mir selbst. Mr. Rogers war von erheblich kleinerem Format, und als er zur Macht kam, warf er uns sofort aus unseren Stellungen heraus. So endete unsere Zeit in Krotona und unser wirklich ernsthaftes Bemühen, der Theosophischen Gesellschaft von Nutzen zu sein.

KAPITEL V

Dieses Kapitel bedeutet eine vollkommene Trennungslinie zwischen der Welt, mit der ich es bis dahin zu tun hatte, und der Welt, in der ich heute (1947) tätig bin. Ein ganz neuer Zyklus tritt in Erscheinung. Bis dahin war ich bloss Alice Bailey, Dame der Gesellschaft, Mutter, Kirchenhelferin; meine Zeit hatte mir selbst gehört; niemand wusste etwas von mir; ich hatte meine Tage einteilen können, wie es mir passte, abgesehen davon, dass ich mich um meine Kinder zu kümmern hatte; niemand hatte sich zu einer Besprechung mit mir gedrängt; ich brauchte keine Druckabzüge zu korrigieren und keine öffentlichen Vorlesungen abzuhalten und vor allem hatte nicht endloses Korrespondieren und Briefediktieren meine Zeit in Anspruch genommen. Ich frage mich manchmal, ob man sich im allgemeinen überhaupt eine Vorstellung davon macht, welche erstaunliche Masse von Briefen bei mir ein- und ausgehen. Es ist keine Übertreibung, wenn ich sage, dass ich in manchen Jahren 10'000 Briefe diktiert habe; ich habe gelegentlich einmal nach der Uhr festgestellt, dass ich beim Eingang der Tagespost allein achtundvierzig Minuten brauchte, bloss um die Umschläge aufzuschlitzen und die Briefe herauszunehmen. Dazu kommen noch die Tausende von Formbriefen, die ich unterzeichnet habe sowie die Rundschreiben an ganze nationale Gruppen (die nicht meine persönliche Unterschrift trugen). Unter

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.