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Die unvollendete Autobiographie, Seite 175 ff. (engl.)
diesen Umständen kann man verstehen, dass ich einmal meinem Mann sagte, mein Grabstein solle die Inschrift tragen: «Sie wurde von den Papiermassen zu Tod erstickt». Heute sind es nur noch ungefähr 6000 Briefe im Jahr, weil ich jetzt einen grossen Teil meiner Korrespondenz Männern und Frauen übertrage, die mehr Zeit erübrigen können, um die Briefe sorgfältig und eingehend zu beantworten. Manchmal unterzeichne ich diese Briefe, manchmal nicht. Ich möchte an dieser Stelle Mr. Victor Fox und ein oder zwei anderen Helfern meinen aufrichtigen Dank aussprechen für die wirklich wundervollen Briefe, die sie in meinem Namen an andere geschrieben haben, und für die man mir warm gedankt hat, ohne dass ihnen selbst irgendwelche Anerkennung dafür zuteil wurde. Das nenne ich wirklich selbstloses Dienen - einen Brief zu schreiben, den man selbst nicht unterzeichnet und für den jemand anders Dank empfängt.

Dieser ganze Abschnitt meines Lebens, von 1921 bis 1931, ist für den Leser verhältnismässig uninteressant. Es fällt mir schwer, irgend etwas Leichtes oder Vergnügliches oder überhaupt etwas darüber zu sagen, was etwas die Eintönigkeit der Tretmühle abschwächen könnte, in die ich in diesen Jahren hineingeraten war. Weder Foster Bailey noch ich hatten ein derartiges Leben geplant, und wir haben uns oft gesagt, wenn wir diese Zukunft vorausgesehen hätten, dann hätten wir uns nie auf das eingelassen, was wir jetzt unternahmen. Damit beweist sich wieder einmal die Wahrheit der Redensart von der «gesegneten Unwissenheit».

Nach der wirklich empörenden Jahrestagung der T. G. in Chicago kehrten Foster und ich schwer enttäuscht nach Krotona zurück, restlos davon überzeugt, dass die T. G. durchweg nur von Persönlichkeiten geleitet wurde, die ihren persönlichen Rang betonten, rein persönliche Gefolgstreue erwarteten, sich von persönlichen Zuneigungen oder Abneigungen bestimmen liessen und von ihrem Persönlichkeitsniveau aus der Masse ihrer Persönlichkeitsanhänger ihre Entscheidungen aufzwangen. Wir wussten einfach nicht, was wir tun oder in welcher Richtung wir uns weiterhin betätigen sollten. Mr. Warrington war nicht mehr Vorsitzender der Gesellschaft, Mr. L. W. Rogers hatte das Amt übernommen. Mein Mann war immer noch nationaler Sekretär, und ich war noch Schriftleiterin des nationalen Magazins und Vorsitzende des Verwaltungsausschusses von Krotona.

Ich werde nie den Morgen vergessen, als wir Mr. Rogers nach seiner Amtsübernahme in seinem Büro aufsuchten, um ihm unseren Wunsch vorzutragen, der T. G. weiterhin zu dienen. Mr. Rogers sah uns bloss an und fragte: «Können sie sich irgendwie vorstellen, wie sie mir noch von Nutzen sein könnten?» Da standen wir also da, ohne Stellung, ohne Geld, ohne Zukunft, mit drei Kindern und ohne jede Ahnung, was wir unternehmen wollten. Es wurden Anstalten getroffen, uns vom Gesellschaftsgelände von Krotona auszuweisen, aber Foster kabelte an Frau Besant, und sie sorgte sofort dafür, dass das unterblieb. Solch rohe Behandlung hatten wir eben doch nicht ganz verdient.

Es folgte für uns eine recht schwierige Zeit. Wir waren noch nicht verheiratet, und Foster lebte in einem Zelt auf dem Krotonagelände. Als vorsichtige Engländerin hatte ich für eine Anstandsdame gesorgt, die bei mir wohnte und mich vor schmutzigem Klatsch bewahrte. Eines von den Dingen, die ich anstrebte und die mir, glaube ich, auch gelungen sind, bestand darin, den Okkultismus von seinem schlechten Ruf zu befreien. Ich habe versucht, den Okkultismus zu einer achtbaren Betätigung zu machen, und das ist mir in überraschender Weise gelungen. Solange ich unverheiratet war, und die Kinder noch klein waren, hatte ich stets eine ältere Freundin bei mir. Später erwiesen sich mein Mann und die Kinder selbst als hinreichender Schutz. Erstens einmal habe ich ausser für meinen Mann, Foster Bailey, nie Interesse für andere Männer gehabt und zweitens würde keine Frau, die Anstand und Selbstachtung besitzt, ihren heranwachsenden Kindern Anlass zur Kritik geben. Das ist der okkulten Bewegung zugute gekommen, und heute bedeutet das Wort Okkultismus etwas Achtbares; eine ganze Menge hochstehender Leute ist heute durchaus gewillt, sich der Welt gegenüber als okkulte Schüler zu bekennen. Ich habe das Gefühl, dass das eine der Aufgaben war, an denen mitzuwirken mir vom Schicksal bestimmt war, und ich glaube nicht, dass die okkulte Gedankenwelt jemals wieder in den schlechten Ruf kommen wird, der ihr von 1850 bis jetzt anhaftete.

Noch immer werden Bücher geschrieben, die H. P. B. und Frau Besant in den Schmutz ziehen, und man fragt sich, was die Autoren damit zu erreichen hoffen. Soweit ich das feststellen kann, ist die moderne Schülergeneration an den Vorzügen oder Mängeln ihrer Charaktere ganz und gar nicht interessiert. Es ist ihnen auch ganz unwichtig, ob dieser oder jener Autor diese beiden Menschen billigt oder missbilligt. Was diese Schüler interessiert, ist die Lehre selbst und die Wahrheit, die sie enthält. Das ist eine durchaus gesunde und richtige Einstellung. Ich wünschte, diese modernen Schriftsteller, die Monate damit zubringen, Schmutz zusammenzukratzen, um damit irgend jemanden schlecht zu machen, würden sich über die Dummheit dieser Betätigung klarwerden. Sie kommen der Wahrheit nicht einmal nahe; sie ändern nichts an der Ergebenheit derer, die Bescheid wissen; sie ändern nichts an der Tendenz zu okkulter Erkenntnis, und sie schaden nur sich selbst.

In dieser Nachkriegswelt gibt es für jedermann Wichtigeres zu tun, als sich mit der Verleumdung und Erniedrigung von Leuten zu befassen, die schon seit Jahrzehnten tot sind. Es gibt viel zu tun in der heutigen Welt; Wahrheit muss erkannt und verkündet werden, und da hat man keine Zeit für Leute, die Schmutz aufwühlen und Persönlichkeiten verleumden, nur um dadurch bei den Feinden einer Lehre ein paar Hundert Dollar zu verdienen. Das ist mit ein Grund, warum ich diese Autobiographie schreibe und die Tatsachen klarstelle.

In den Tagen unseres Beginnens, von denen ich schreibe, würde niemand geglaubt haben, dass eine Zeit kommen würde, in denen die Lehre, die zu veröffentlichen ich im Begriff stand, und das Werk, dem Foster und ich uns widmeten, einmal einen derartigen Umfang annehmen würde, dass deren verschiedene Abteilungen heute international bekannt sind, und dass die Lehre vielen Hunderttausenden helfen würde. Wir standen allein mit einigen wenigen, unbekannten Freunden einer der mächtigsten, sogenannten okkulten Körperschaften der Welt gegenüber. Wir hatten kein Geld und wussten nicht, was die Zukunft uns bringen würde. An dem Tag, an dem wir uns einmal hinsetzten, um die Lage zu überdenken und Vorkehrungen für die Zukunft zu treffen, bestanden unsere gemeinsamen Finanzen aus 1.85 Dollar. Es war am Monatsende, die Miete war fällig, die Lebensmittelrechnung für den abgelaufenen Monat war noch nicht bezahlt und ebenso wenig die Gas-, Licht- und Milchrechnung. Da wir noch nicht verheiratet waren, hatte Foster keinerlei Verantwortung dafür, aber er teilte schon damals alles mit mir. Wir bezogen keine Gehälter mehr von der T. G., und mein kleines Einkommen war im Augenblick nicht verfügbar. Ich wusste nicht, was ich tun sollte.

Obgleich ich in der ganzen Welt als Lehrerin der Meditation bekannt bin, habe ich persönlich doch nie meine Gewohnheit aufgegeben, zu beten. Ich glaube, der wahre Okkultist benutzt Gebet und Meditation abwechselnd, je nach Bedürfnis, und beide erscheinen mir im geistigen Leben als gleich wichtig. Das Gebet hat wohl seit jeher darunter gelitten, dass der Durchschnittsmensch es als rein egoistisches Mittel zur Erlangung von materiellen Dingen für sein abgesondertes Selbst benutzt hat. Wahres Gebet verlangt nichts für das abgesonderte Selbst, sondern es wird immer nur denen nützen, die anderen helfen möchten. Manche Leute halten sich für zu überlegen, um zu beten, und betrachten die Meditation als etwas, was weit erhabener sei und zu ihrer hohen Entwicklungsstufe besser passt. Mir hat es stets genügt, dass Christus nicht nur selbst betete, sondern uns auch das Vaterunser beten gelehrt hat. Ausserdem ist die Meditation für mich ein gedanklicher Vorgang, durch den man ein klares Wissen über Göttlichkeit erlangen und des Reiches der Seelen oder des Reiches Gottes gewahr werden kann. Sie ist die Methode des Kopfes und des Denkens, und ist für die Menschen der Welt, denen das Denken noch etwas Ungewohntes ist, sehr notwendig. Das Gebet gehört zur Gefühlsnatur und zum Herzen und wird allgemein zur Befriedigung von Wünschen benützt. Die aufwärts strebenden Jünger der Welt sollten sich beider Arten bedienen. Später werde ich auf die Invokation zu sprechen kommen, die eine Synthese beider bedeutet.

Auf alle Fälle hielt ich mich in dieser Zeit materieller Not wiederum ans Gebet und in jener Nacht betete ich. Als ich am nächsten Morgen auf die Veranda ging, fand ich dort das nötige Bargeld, und ein oder zwei Tage später erhielt Foster Bailey einen Brief von Mr. Ernest Suffern, der ihm bei der T. G. in New York eine Stellung mit einem Monatsgehalt von 300 Dollar anbot. Ausserdem erbot er sich, uns in einer kleinen Stadt jenseits des Hudson ein Haus zu kaufen, von wo aus Vorortverbindung nach New York bestand. Foster nahm das Angebot an und fuhr nach New York, während ich bei den Kindern zurückblieb, um den weiteren Verlauf der Dinge abzuwarten.

Damals wohnte Augusta Craig bei uns, die wir und alle anderen, die sie kannten und liebten, gewöhnlich «Craigie» nannten. Sie lebte mit Unterbrechungen viele Jahre mit uns, und die Kinder und ich hingen sehr an ihr. Sie war einzig in ihrer Art, voller Humor und gesundem Verstand. Sie packte ein Problem nie in der gewöhnlichen Art oder vom gewöhnlichen Gesichtspunkt aus an. Vielleicht kam das daher, dass sie viermal verheiratet gewesen war und über Menschen und Dinge vielerlei Erfahrung gesammelt hatte. Sie war einer von den wenigen Menschen, an die ich mich um Rat wenden konnte, weil wir uns beide wirklich von Grund auf verstanden. Sie hatte eine spitze Zunge, aber auch so viel weibliche Reize, dass überall, wo immer wir auch gerade wohnten, jeder unverheiratete Briefträger, Milchmann oder Eislieferant bemüht war, sie mir wegzulotsen. Sie wollte aber von keinem etwas wissen. Sie fand, dass das Leben mit mir interessant genug sei, und sie hielt bei mir aus, bis sie wenige Jahre vor ihrem Tod nach Kalifornien in ein Heim für alte Damen zog, wie sie mir erklärte, hauptsächlich deshalb, weil sie sich aus alten Damen nichts mache. Da sie jedoch, als sie von mir weg ging, selber schon über 70 Jahre alt war, dachte sie, die anderen Damen würden aus ihren Erfahrungen Nutzen ziehen können. Ich glaube nicht, dass sie sich dort wohlgefühlt hat, aber sie hatte das Empfinden, die alten Damen könnten sie sehr gut gebrauchen, und ich bin todsicher, dass das auch der Fall war. Mir war sie jedenfalls immer eine sehr gute Stütze.

Gegen Ende des Jahres 1920 schrieb mir Foster, ich solle zu ihm nach New York kommen; ich liess die Kinder in Craigies Obhut wo ich sie sicher, versorgt und liebevoll betreut wusste. Ich reiste nach New York, wo Foster mich abholte und in ein Miethaus nach Yonkers brachte. Er selbst wohnte in der Nähe. Wir heirateten bald darauf; wir besorgten uns eines Morgens auf dem Standesamt einen Eheschein und liessen uns von dem dortigen Beamten einen Pfarrer empfehlen, der uns auch sofort kirchlich traute. Gleich darauf kehrten wir ins Büro zurück, um unser Nachmittagspensum zu erledigen, und von dem Augenblick an leisteten wir 26 Jahre lang gemeinsam unsere Arbeit.

Der nächste Schritt bestand darin, das Haus zu möblieren, das Mr. Suffern für uns in Ridgefield Park, New Jersey, gekauft hatte, und dann musste Foster nach dem Westen fahren, um die Kinder abzuholen. Ich blieb zurück, um alles fertigzumachen, Vorhänge zu nähen und die notwendigen Hausvorräte zu besorgen - die uns in der Hauptsache von Mr. Suffern geschenkt wurden - und dann wartete ich sehnsüchtig auf meinen Mann mit den drei Mädchen. Craigie kam nicht mit, sie folgte später nach.

Nie werde ich ihre Ankunft am grossen Zentralbahnhof vergessen. Nie habe ich einen müderen, abgekämpfteren Mann gesehen, als Foster Bailey. Als die vier die Rampe heraufkamen, hatte Foster Ellie auf dem Arm, und Dorothy und Mildred hingen ihm an den Manteltaschen. Wie froh waren wir alle, in unserem neuen Heim zu sein! Es war das erste Mal, dass die Kinder im Osten waren. Sie hatten noch nie Schnee gesehen und selten Schuhe getragen, und es war für sie gewissermassen ein ganz neues Erlebnis zivilisierten Daseins. Wie Foster das fertiggebracht hat, weiss ich nicht, aber ich denke, dies ist der geeignete Augenblick, um darauf hinzuweisen, welch wunderbarer Stiefvater er den Kindern gewesen ist. Solange sie klein waren, liess er sie nie merken, dass sie nicht seine eigenen waren, und sie verdanken ihm unendlich viel. Ich denke sie hängen sehr an ihm und haben auch allen Grund dazu.

Dieser völlig neue Lebenszyklus verlangte von uns allen eine Anpassung an ganz veränderte Verhältnisse. Zum ersten Mal handelte es sich nicht nur um die Last intensiver Arbeit für die Menschen und für die Meister, sondern dazu kamen auch noch die Sorgen um die Familie, die Pflichten des Haushalts, die Erziehung der Kinder und - was mir am schwersten fiel - unser zunehmendes Bekanntwerden in der Öffentlichkeit. Ich habe nie etwas für die Neugierde des Publikums übriggehabt oder für die Ansicht, dass jemand, der Bücher schreibt, und öffentliche Vorlesungen hält, kein Anrecht auf Privatleben mehr besitze. Viele Leute scheinen zu denken, dass sie einem in alles hineinreden dürfen, und dass man genau das sagen und sich ihnen gegenüber genauso geben muss, wie sie es erwarten.

Ich werde nie vergessen, wie ich einmal 800 Zuhörern in New York erklärte, sie

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.