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Der Yoga-Pfad (die Yoga Sutras von Patanjali), Seite 419 ff. (engl.)
geistigen Problem, dessen Art in dem folgenden Fragment aus einem alten, esoterischen Katechismus [420] dargestellt wird:

«Was siehst du, Befreiter? - Meister, ich sehe viele, die leiden und um Hilfe rufen.

Was willst du tun, Mensch des Friedens? - Ich werde dorthin zurückkehren, von wo ich kam.

Woher kommst du, göttlicher Pilger? - Ich komme aus tiefster Dunkelheit heraufgestiegen in das Licht.

Wohin gehst du, o Wanderer auf dem aufwärtsführenden Weg? - Ich gehe zurück in die Tiefen der Dunkelheit, hinweg vom Licht des Tages.

Aus welchem Grunde kehrst du um, o Sohn Gottes? - Um jene zu sammeln die im Dunkeln straucheln, und um die Stufen auf ihrem Weg zu erhellen.

Wann ist dein Dienst zu Ende, o Erlöser der Menschen? - Ich weiss es nicht. Doch das eine weiss ich: Solange noch jemand leidet, so lange bleibe ich und diene».

25. Der Zustand losgelösten Eins-Seins (zurückgezogen in das wahre Wesen des Selbstes) ist die Belohnung für jenen Menschen, der zwischen der Denksubstanz und dem Selbst (dem geistigen Menschen) unterscheiden kann.

Der Zustand losgelösten Einsseins ist nicht so sehr ein Streben nach Absonderung, sondern vielmehr die Folge eines errungenen besonderen Bewusstseinszustandes.

Alle Meditationsarbeit, jeder Augenblick des Nachsinnens, alle positiven Übungen, alle Stunden, in denen ein Mensch sich an sein wahres Wesen erinnert, sind Mittel, die angewendet werden, um das Denken von den niederen Reaktionen und Neigungen loszulösen und die Gewohnheit anzunehmen, sich ständig seines wahren göttlichen Wesens bewusst zu sein. Wenn dies erreicht ist, hört die Notwendigkeit für derartige Übungen auf, und der Mensch tritt sein Erbe an. Die Losgelöstheit, die hier gemeint ist, ist die Loslösung des niederen Selbstes vom Feld des Erkennens, und die [421] Weigerung, in der äusseren Welt sinnliche Erfahrungen zu suchen; fest und unbeirrt verharrt es im geistigen Sein.

Der Mensch wird sich bewusst, dass er der Erkennende ist, und er befasst sich nicht mehr vorwiegend mit dem Feld des Erkennens wie in den Frühstadien seiner Entfaltung; auch ist er nicht mehr an einer Anhäufung von Kenntnissen interessiert wie im Stadium der mentalen Entwicklung zum fortgeschrittenen Menschen oder zum Jünger. Er kann alle drei Aspekte unterscheiden und identifiziert sich von nun an weder mit dem Feld des Erkennens (dem Leben in den drei Welten) durch das Medium seiner drei Körperhüllen, der fünf Sinne und des Denkvermögens, noch mit dem erlangten Wissen und der gesammelten Erfahrung. Er kennt das Selbst; da er sich mit dem wahren Erkennenden identifiziert, sieht er die Dinge so wie sie sind, und er kehrt sich von der Welt sinnlicher Wahrnehmung vollständig ab.

Trotzdem erfüllt er seine Aufgaben, die ihm als Mensch in der Welt gestellt sind; er nimmt teil am Erleben der Welt; er übt menschliche Tätigkeiten aus; er lebt unter Menschen, isst, schläft und arbeitet. Aber während der ganzen Zeit «ist er in der Welt, doch nicht von der Welt»; von ihm kann - wie von Christus - gesagt werden:

«Obwohl er in göttlicher Gestalt war, hielt er's nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäusserte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an.

Er ward gleich, wie ein anderer Mensch und an Gebärden als ein Mensch erfunden;

er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuz». (Philipper II: 6. 7. 8.)

Er ist [422] eins mit der Seele von Allem, jedoch losgelöst, getrennt von allem, was die Form der materiellen Natur betrifft. Die nächsten drei Lehrsprüche müssen zusammen gelesen werden, denn sie entrollen ein Bild von der allmählichen Weiterentwicklung der geistigen Natur jenes Menschen, der die Stufe des unterscheidenden Losgelöstseins erreicht hat und infolge absoluter Leidenschaftslosigkeit die Bedeutung des losgelösten Einsseins kennt.

26, 27, 28. Das Denken strebt dann kraftvoll nach Unterscheidung und zunehmender Erleuchtung - dem wahren Wesen des einen Selbstes. Die Macht der Gewohnheit bringt es jedoch mit sich, dass das Denken auch andere mentale Eindrücke widerspiegelt und Objekte der Sinneswelt wahrnimmt. Diese Spiegelbilder sind ihrem Wesen nach Hindernisse, die auf die gleiche Weise überwunden werden können, wie im Buch II, Lehrspruch 10 angegeben.

Wenn einmal die richtigen Tendenzen und Rhythmen festgelegt sind, ist deren Beständigkeit lediglich eine Frage der Beharrlichkeit, des gesunden Menschenverstandes und der Ausdauer. Wenn nicht äusserste Wachsamkeit geübt wird, stellen sich die alten Gewohnheiten des Denkens sehr leicht wieder ein; sogar bis zur letzten Einweihung muss der Aspirant «wachen und beten».

Die Regeln, die den Sieg bestimmen, die Übungen, die zum Erfolg führen, sind für den fortgeschrittenen und geübten Kämpfer die gleichen wie für den Neuling. In Buch II sind die Methoden, wie die Hindernisse überwunden werden können, genauestens angegeben. Von dem Zeitpunkt an, da der Mensch den Probepfad betritt, bis zu jenem hohen Augenblick, da er die letzte grosse [423] Einweihung empfängt und im vollen Licht des Tages steht, müssen diese Methoden und Regeln für eine disziplinierte Lebensweise unbeirrt befolgt werden. Dazu gehört Geduld, die Fähigkeit, nach einem Versagen fortzufahren, auszuharren, wenn der Erfolg in weiter Ferne zu liegen scheint. Das war dem grossen Eingeweihten Paulus wohlbekannt, und deshalb ermahnte er die Jünger, denen er helfen wollte: «Darum seid standhaft ... und wenn ihr alles getan habt, haltet aus». Jakobus drückt den gleichen Gedanken aus, wenn er sagt: «Siehe, wir preisen die selig, die ausharren».

Weitergehen, wenn der Punkt der Erschöpfung erreicht ist, und wenn wir meinen, wir hätten keine Kraft mehr dazu, standhaft bleiben, auch wenn eine Niederlage droht, die Entschlossenheit, auszuharren, was immer auch kommen möge, - das sind die Kennzeichen der wahren Jünger aller Grade. An sie ergeht der Ruf des Paulus:

«So steht nun, umgürtet an euren Lenden mit Wahrheit und angezogen mit dem Panzer der Gerechtigkeit;

und an den Beinen gestiefelt, als fertig, zu treiben das Evangelium des Friedens.

Vor allen Dingen aber ergreifet den Schild des Glaubens, mit welchem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösewichts;

und nehmet den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes». (Epheser VI. 14. 15. 16. 17)

Der ebenso klare Befehl Krishnas an Arjuna lautet:

«Bedenke [424] deine Pflicht und schreie nicht zurück. denn für den Krieger gibt es nichts Besseres als den gerechten Kampf. Und solch ein Kampf steht dir bevor, grad wie ein aufgetanes Himmelstor. glücklich die Krieger ... denen sich solch ein Kampf bietet ... darum ermanne dich, entschliesse dich zum Kampf. Erachte gleich: Glück und Ungemach, Gewinn und Verlust, Sieg oder Niederlage. Gürte dich zum Kampf!»

(Bhagavad Gita II. 31. 32. 38. 37)

29. Der Mensch, der sogar bei seinem Streben nach Erleuchtung und losgelöstem Einssein innerlich frei bleibt, nimmt schliesslich die überschattende Wolke geistigen Erkennens wahr.

Für den Neuling ist es schwierig, unpersönlich zu bleiben, wenn es sich um seine eigene geistige Entfaltung handelt, denn gerade die Ernsthaftigkeit seines Strebens kann ein Hindernis sein. Mit zu den ersten Dingen, die er lernen muss, gehört folgendes: Einerseits auf dem Weg vorwärts zu gehen, sich an die Regeln zu halten, die Übungen zu befolgen, die Mittel anzuwenden und stets das Gesetz zu erfüllen; andererseits und gleichzeitig die geistige Schaukraft zu kultivieren und Dienste zu leisten, aber nicht mit sich selbst beschäftigt zu sein. Es ist so leicht, das Opfer hohen Verlangens zu werden und mit den Reaktionen und Empfindungen des strebenden niederen Menschen so beschäftigt zu sein, dass man sehr schnell von neuem in das Netz der veränderlichen psychischen Natur gerät.

Das Nicht-Anhangen an jeglichen Formen sinnlicher Wahrnehmung, (an höheren sowohl als auch an niederen) muss entwickelt werden.

Viele Menschen, die den Weg des Gefühls und hingebenden Herzens (den Weg des Mystikers) verlassen und zum Weg der verstandesmässigen Kontrolle (zur okkulten Methode) übergehen, bedauern, dass die früheren Augenblicke der Freude und Glückseligkeit, [425] die sie während der Meditation erlebt haben, sich nicht mehr einstellen. Das jetzt befolgte System erscheint ihnen nüchtern, trocken und unbefriedigend. Aber Freude und Frieden sind Empfindungen der emotionalen Natur, die in keiner Weise die Wirklichkeit berühren. Vom Standpunkt der Seele aus gesehen ist es unwesentlich, ob ihr Abbild, der Mensch in der Verkörperung, glücklich oder unglücklich, freudig oder traurig, zufrieden oder unzufrieden gestimmt ist. Nur eines ist wesentlich: das Zustandekommen des Kontakts mit der Seele, die (bewusste und klar erkannte) Vereinigung mit dem Einen. Diese Vereinigung mag sich vielleicht im physischen Bewusstsein als ein Gefühl des Friedens und der Freude auswirken; sie muss sich aber in einer grösseren Fähigkeit manifestieren, der Menschheit zu dienen und in diesem Dienst mehr zu leisten. Die Gefühle des Jüngers spielen dabei nur eine geringe Rolle; wichtig ist einzig sein Verständnis und seine Brauchbarkeit als Vermittler geistiger Kraft. Man darf nicht vergessen, dass auf dem Pfad weder unsere Tugenden noch unsere Laster zählen (ausser insofern als wir uns von den Gegensatzpaaren freimachen). Nur das zählt, was uns vorwärts treibt auf dem Pfad, der «immer heller wird bis zum ersehnten Tag».

Wenn ein Mensch seinen Blick loslösen kann von allem, was das Physische, Emotionale und Mentale betrifft, wenn er seine Augen erhebt und von sich hinweg wendet, dann wird er «die überschattende Wolke geistigen Erkennens» oder die «Regenwolke erkennbarer Dinge» (wie sie auch genannt wird) wahrnehmen.

Damit wird esoterisch und symbolisch angedeutet, dass dem Eingeweihten (so fortgeschritten er auch ist) ein weiterer Fortschritt bevorsteht, und dass er noch einen weiteren Schleier durchdringen [426] muss. Er hat eine grosse Einswerdung erreicht, er hat Seele und Körper vereinigt. Er steht (was die drei Welten anbelangt) auf der Stufe des losgelösten Einsseins. Aber nun wird eine weitere Vereinigung möglich, die Vereinigung der Seele mit dem Geist. Der Meister muss zum Christus werden, und darum muss «die Regenwolke geistigen Erkennens» erreicht, benutzt und durchdrungen werden. Es ist nutzlos für uns darüber nachzudenken, was auf der anderen Seite des Vorhangs liegt, der den Vater verbirgt. Im Neuen Testament lesen wir, dass, als der Vater mit Christus sprach, die Stimme aus einer Wolke kam. (Siehe Matthäus XVII)

30. Wenn diese Stufe erreicht ist, sind die Hindernisse und das Karma überwunden.

Die beiden Sätze, die wir jetzt studiert haben, haben den Strebenden von der Stufe des Adepten zu der des Christus geführt.

Alles, was dem vollen Ausdruck des göttlichen Lebens im Wege stand, ist überwunden, alle Schranken sind niedergerissen, alle Hindernisse beseitigt. Das Rad der Wiedergeburt hat seinen Zweck erfüllt, und die geistige Einheit, die beim Eintreten in die Form alle potentiellen Kräfte und latenten Möglichkeiten mit sich führte, hat diese nun voll und ganz entwickelt und die Blüte der Seele entfaltet. Das Gesetz von Ursache und Wirkung, das in den drei Welten wirksam ist, hat keine Macht mehr über die befreite Seele; sein individuelles Karma hat ein Ende, und obwohl er noch dem planetarischen oder solaren Gruppenkarma unterworfen sein mag, so hat [427] er doch selbst nichts mehr abzutragen; und er leitet nichts mehr ein, was ihn mit den Fesseln des Verlangens an die drei Welten binden könnte. Sein Zustand ist im nächsten Lehrspruch zusammengefasst.

31. Wenn durch die Beseitigung der Hindernisse und die Läuterung der Körperhüllen dem Menschen alles Wissen offen steht, bleibt ihm nichts mehr zu tun übrig.

Das zweifache Werk ist vollendet. Die Hindernisse, die das Ergebnis von Unwissenheit, Blindheit, Umwelt und Aktivität waren, sind hinweggeräumt; da die groben Körperhüllen sublimiert sind und die Yogamittel befolgt wurden, wird dem

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.