Netnews Homepage     Zurück     Vorwärts      Index      Inhaltsverzeichnis
Briefe über okkulte Meditation, Seite 255 ff. (engl.)

Die Suche nach dem Ziel

Heute könnten [256] wir vielleicht einmal das Thema der Meister berühren und die Frage, wie man sich ihnen auf dem Weg der Meditation zu nähern vermag. Ich weiss, dass diese Frage dem Leser sehr am Herzen liegt, wie das bei all denen der Fall ist, die ernstlich dem Licht im Innern folgen. Ich will versuchen, dieses Thema so zu behandeln, dass am Ende dieses Briefes die Meister in höherem Mass zur Tatsache werden als je zuvor, auf dass die Bedeutung der Annäherung an sie besser verstanden und die dabei befolgte Methode einfacher werde. Die Wirkung der Berührung mit ihnen wird sich im Leben so klar zeigen, dass man ernstlich danach streben wird, dieses Ziel so bald als möglich praktisch zu erreichen. Wir wollen deshalb, wie stets bisher, unser Thema wie folgt unterteilen:

1. Wer sind die Meister?

2. Was hat Annäherung an sie zur Folge

a. Vom Standpunkt des Schülers.

b. Vom Standpunkt des Meisters.

3. Methoden der Annäherung an die Meister durch Meditation.

4. Die Wirkung dieser Annäherung auf den drei Ebenen.

Überall in der ganzen Welt ist zu sehen, wie es den Menschen drängt, irgend jemanden aufzufinden, der für ihn das Ideal verkörpert. Selbst diejenigen, die an die Existenz der Meister nicht glauben, suchen nach einem Ideal und stellen sich dann im Geist vor, dass dieses Ideal in irgendeiner Gestalt auf der physischen Ebene verkörpert ist. Vielleicht schwebt ihnen ein Bild ihrer selbst vor Augen, in dem sie die Exponenten idealen Handelns sind; oder sie [257] denken vielleicht an einen grossen Menschenfreund, an einen überragenden Gelehrten, an einen bedeutenden Künstler oder Musiker als Inbegriff ihres höchsten Ideales. Da sich der Mensch selber nur als Stückwerk und als etwas Unvollendetes erkennt, hat er von jeher diesen Drang in sich gefühlt, nach etwas anderem zu suchen, was grösser ist als er selbst. Das ist es, was ihn zurücktreibt zum Mittelpunkt seines Wesens, das ist es, was ihn dazu zwingt, den Rückweg zum Allselbst einzuschlagen. Seit jeher hat im Lauf der Äonen der Verlorene Sohn sich aufgemacht und ist zu seinem Vater gegangen, und immer schlummert in ihm die Erinnerung an des Vaters Haus und an die Herrlichkeit, die dort seiner wartet. Menschliches Denken ist aber so beschaffen, dass die Suche nach dem Licht und nach dem Ideal notwendigerweise lange währt und schwierig ist. «Jetzt sehen wir durch ein dunkles Glas; dann aber von Angesicht zu Angesicht»; jetzt erblicken wir beim Erklimmen der Leiter gelegentlich einmal auf einen kurzen Augenblick Wesen, die anders und grösser sind als wir selbst; sie strecken uns hilfsbereite Hände entgegen und rufen uns mit heller Stimme zu, mutig weiterzustreben, wenn wir hoffen wollen, einmal dort zu stehen wo sie jetzt sind.

Wir erspüren Schönheiten und Herrlichkeiten um uns herum, an denen wir uns bislang nicht erfreuen konnten; sie tauchen blitzartig in unserer geistigen Schau auf, und in einem erhabenen Moment berühren wir die Herrlichkeit, um sie ebenso schnell wieder zu verlieren und in die trübe Düsterkeit unserer Umgebung zurückzusinken. Immerhin wissen wir, dass ausserhalb und jenseits etwas Wünschenswertes liegt; wir erlernen auch das Geheimnis, dass sich uns das äussere Wunder nur dann erschliesst, wenn wir uns ins Innere zurückziehen, bis wir das Zentrum des Bewusstseins erreichen das im Gleichklang mit jenen dunkel erahnten Wundern und mit jenen strahlenden Seelen schwingt, die sich unsere «Älteren Brüder» nennen. Nur wenn wir die äusseren Hüllen, die das innere Zentrum verschleiern und verbergen, mit Füssen treten, erreichen wir das Ziel und finden die, welche wir suchen. Nur wenn wir alle Formen [258] beherrschen und diese Formen der Führung des Gottes im Innern unterstellen, können wir den Gott in allem und jedem finden; denn nur die Hüllen, in denen wir uns auf der Ebene des Daseins bewegen, verbergen uns den inneren Gott und trennen uns von denen, in welchen Gott alle äusseren Formen übertrifft.

Der grosse Eingeweihte, der die zitierten Worte aussprach, fügte noch eine weitere strahlende Wahrheit hinzu: «Dann werden wir erkennen, gleichwie wir erkannt sind.» Die Zukunft verspricht allen denen, die sich rechtschaffen bemühen, die selbstlos dienen und okkult meditieren, dass sie diejenigen erkennen werden, die den sich mühenden Kämpfer schon ganz genau kennen. Darin liegt die Hoffnung für den Schüler der Meditation; während er kämpft, unterliegt und doch beharrlich weiterstrebt, während er sich tagein tagaus mühsam der harten Aufgabe der Konzentration und Gedankenkontrolle widmet, verharren da auf der inneren Seite diejenigen, die ihn kennen und mit aufmerksamer Sympathie seine Fortschritte beobachten.

Man vergesse dabei die dem obigen Ausspruch vorangehenden Worte des Eingeweihten nicht, in denen er den Weg weist, auf dem Finsternis erhellt und ein Wissen um die Grossen erlangt werden mag. Er betont ausdrücklich, dass der Pfad des Lichts und der Erkenntnis nur durch Liebe gangbar ist. Warum diese Betonung der Liebe? Weil die Liebe das Ziel aller ist und in ihr die Verschmelzung liegt. Um das wissenschaftlich auszudrücken, was oft nur nebelhaft empfunden wird, liesse es sich wie folgt formulieren: Nur wer die Schwingungen erreicht, die dem Strahl der Liebe-Weisheit, (dem göttlichen Strahl) entspricht, kann mit den Herren der Liebe in Berührung kommen, kann die Meister des Mitleids erkennen, und nur für ihn besteht die Möglichkeit, dass das Eindringen ins Bewusstsein der Grossen und all unserer Brüder verschiedenster Grade zu einer manifestierten Tatsache wird.

So ist der Pfad, den jeder einzelne und den alle gehen müssen, und die Methode hierfür ist die Meditation. Das Ziel ist vollendete Liebe und Weisheit. Die zu ihm führenden Stufen bestehen in der Überwindung von einer Unterebene nach der anderen auf allen drei Ebenen; die Methode hierfür ist die der okkulten Meditation. Der Lohn besteht in der fortlaufenden Erweiterung [259] des Bewusstseins, wodurch der Mensch mit der Zeit mit seinem eigenen Ego in Berührung kommt sowie mit anderen Egos und mit dem mit Spannung wartenden Meister, dem er zugeteilt ist und wodurch er mit Mitjüngern und weiter fortgeschrittenen Eingeweihten, die er innerhalb des Meisters Aura antreffen mag, in Verbindung tritt, bis er schliesslich den Einen Einweihenden erreicht, ins geheime Sanktum zugelassen wird und das Mysterium erkennt, das dem Bewusstsein an sich zugrunde liegt.

14. September 1920

Wer sind die Meister?

Im Rahmen unserer Betrachtung über die Annäherung an die Meister auf dem Weg der Meditation dürfte es nützlich sein, zunächst einmal einige grundlegende Feststellungen zu machen in bezug auf die Meister und ihren Platz in der Evolution. Damit kommen wir zu unserem ersten Punkt. Wir wollen dem Leser dieser Briefe eine Vorstellung vermitteln über ihre Stellung, ihre umfassende Entwicklung und ihre Arbeitsmethoden. Viel von dem, was hierüber folgt, ist natürlich nichts wesentlich Neues. Gerade die Dinge, die uns am meisten angehen und mit denen wir bestens vertraut sind, werden von uns am häufigsten übersehen und nehmen in unserem Denken die nebelhaftesten Formen an.

Ein Meister der Weisheit ist jemand, der die fünfte Einweihung durchgemacht hat. Das bedeutet in Wirklichkeit, dass sein Bewusstsein solch eine Ausdehnung erfahren hat, dass es jetzt auch das fünfte oder geistige Naturreich umfasst. Er hat sich durch die vier niederen Naturreiche hindurchgearbeitet: das Mineral-, Pflanzen-, Tier- und Menschenreich und hat durch Meditation und Dienen sein Bewusstseinszentrum so erweitert, dass es jetzt die Ebene des Geistes umfasst.

Ein Meister der Weisheit ist jemand, der die Polarisierung aus den drei Atomen des persönlichen Lebens - wie sie im Kausalkörper zusammengefasst sind - in die drei Atome der geistigen Triade verlagert hat. Er ist bewusst Geist-Intuition-Abstraktes [260] Denken, oder Atma-Buddhi-Manas, und dies nicht nur potentiell oder im Sinn einer Entwicklungsmöglichkeit, sondern mit voller, durch Erfahrung erprobter Wirkungskraft. Er hat dies, wie schon erwähnt, auf dem Weg der Meditation erreicht.

Ein Meister der Weisheit ist jemand, der nicht nur die Saite des Egos, sondern den vollen Akkord der Monade gefunden hat und der nach Belieben das gesamte Register von der niedrigsten bis zur monadischen Note erklingen lassen kann. Okkult bedeutet das, dass er jetzt die schöpferische Fähigkeit entwickelt hat, dass er die Note einer jeden Ebene anzuschlagen und darauf konstruktiv zu wirken vermag. Diese Fähigkeit - erstens die Noten des monadischen Akkordes zu entdecken und zweitens diese Noten konstruktiv anzuwenden - wird erstmalig klar erkannt durch okkult ausgeführte Meditation, die durch liebevollen Dienst ergänzt wird.

Ein Meister der Weisheit ist einer, der das Gesetz in den drei Welten handhaben und all das beherrschen kann, was sich auf jenen Ebenen entwickelt. Indem er die Denkgesetze durch praktische Meditation erlernt, erweitert er die Gesetze dieses Denkens, bis sie die Gesetze des universalen Denkens umfassen, wie sie sich in der niederen Manifestation auswirken. Die Gesetze des Denkens werden in der Meditation gemeistert. Sie wirken sich im praktischen Leben als Dienst aus, denn das ist die logische Folge wahren Wissens.

Ein Meister der Weisheit ist einer, der aus der Halle des Lernens in die Halle der Weisheit übergegangen ist. Dort hat er fünf abgestufte Prüfungen bestanden und das niedere Denken in ein reines und unvermischtes Denkvermögen umgewandelt; Er hat das Begehren zur Intuition veredelt und sein Bewusstsein mit dem Licht reinen Geistes durchstrahlt. Die Schulung durch Meditation ist die einzige Methode, wodurch das erreicht werden kann.

Ein Meister der Weisheit ist einer, der auf Grund des Erfahrungswissens der fünf Sinne gelernt hat, dass es eine Synthese gibt, [261] und der diese fünf Sinne in die zwei synthetischen verschmolzen hat, die das Endziel dieses Sonnensystems kennzeichnen. Durch Meditation wird der geometrische Sinn für die Grössenordnungen berichtigt, der Wertmassstab wird klar erkannt, und durch diese Umstellung und Erkenntnis wird Illusion zerstreut und Wirklichkeit erkannt. Die Praxis der Meditation und der dabei erzielten inneren Konzentration eröffnet dem Bewusstsein die Erkenntnis vom Wert und wahren Zweck der Formen. Dadurch wird die höhere Wirklichkeit erschlossen, und die drei Welten können nicht mehr verführen.

Ein Meister der Weisheit ist einer, der den Sinn und die Bedeutung des Bewusstseins des Lebens und des Geistes kennt. Er kann - widerstandslos und ohne Anstrengung - direkt zum «Herzen seines Vaters im Himmel» vordringen. Der Zugang zur Linie des geringsten Widerstands, zum direkten Pfad, wird durch die Praxis der Meditation gefunden.

Ein Meister der Weisheit ist einer, der sich aufgelöst hat aus den Fünf in die Drei und aus den Dreien in die Zwei. Er ist zum fünfzackigen Stern geworden, und wenn dieser Augenblick da ist, dann sieht er jenen Stern über dem Einen Einweihenden aufflammen und erkennt den Stern in allen anderen, die auf der gleichen Stufe stehen wie er. Er hat (im okkulten Sinn) die Quaterne (Vierheit) geheiligt und sie als Grundstein benützt, um darauf den Tempel Salomons zu errichten. Er ist selbst jenem Tempel entwachsen und hat ihn allmählich als Beschränkung erkannt. Er hat sich aus seinen hemmenden Wällen zurückgezogen und ist in die Triade eingegangen. Dabei hat er stets die okkulte Methode angewandt, das heisst er handelte bewusst und in voller Erkenntnis jeder einzelnen Stufe. Er erlernte die Bedeutung jeder einschränkenden Form; dann übernahm er die Kontrolle und Handhabung des Gesetzes auf jener der Form entsprechenden Ebene. Dann entwuchs er der Form und legte sie um anderer und höherer Formen willen ab. So machte er durch das Opfer und den Tod der Form stetig Fortschritte. Stets [262] wird die Form als Gefängnis erkannt; immer muss sie als Opfer sterben, damit das Leben in ihr immer wieder vorwärts und aufwärts eilen kann. Der Pfad der Auferstehung setzt Kreuzigung und Tod voraus und führt von dort zu dem Berg, von dem aus die Auferstehung möglich ist. In der Meditation lassen sich der Wert des Lebens und die Begrenzungen der Form erkennen und abschätzen, und durch Wissen und Dienen kann das Leben freigemacht werden von allem, was es hindert und umstrickt.

Ein Meister der Weisheit ist jemand, der sich die Aufgabe erwählte, auf unserem

Netnews Homepage     Zurück     Vorwärts      Index      Inhaltsverzeichnis
Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.