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Vom Intellekt zur Intuition, Seite 194 ff. (engl.) |
Identität mit dem Ganzen, bewusste Wahrnehmung des Selbst und Gleichwerdung mit
dem inneren und äusseren Wesen bei vollem Wachbewusstsein - dies ist das
endgültige Ziel des nach Erkenntnis Suchenden.
Das Selbst, das Nicht-Selbst und die Beziehung zwischen diesen beiden werden ohne Differenzierung als Tatsache erkannt. Gott. der Vater, Gott der Sohn und Gott, der Heilige Geist werden als eine harmonisch zusammenwirkende Identität erkannt, - die Drei in Einem und der Eine in Dreien. Das ist das erstrebte Ziel aller Schulen, dass der Mystiker über das Gefühl und schliesslich sogar über das Denken hinausgelangt und mit dem All vereint wird. Die Individualität verbleibt wohl dem Bewusstsein, ist aber mit der Gesamtheit so einsgeworden, dass jedes Ichgefühl verschwindet. Nichts bleibt übrig als die erkannte und verwirklicht Einheit. Kapitel IX Die praktische Anwendung der Meditation «Es muss bemerkt werden, dass die Doktrin dieses Buches nicht allen Arten von Menschen Anleitungen gibt, sondern nur jenen, die ihre Sinne und Leidenschaften gut im Zaume halten, die im Gebet schon Fortschritte gemacht haben, und die von Gott für den inneren Weg berufen sind, auf dem ER sie ermutigt und leitet, und sie von Behinderungen auf diesem Weg zu vollkommener Kontemplation befreit». Michael De Molinos: Der Geistige Führer. Bis hierher waren unsere Erörterungen akademisch und vergleichend, logisch folgernd und andeutend. Es wurde der Weg, den viele gegangen sind, gezeigt und erklärt, und es wurde der Weg zur Erleuchtung betrachtet. Nun aber ist es notwendig, dass wir die praktische Arbeit, die wir selbst tun können, verstehen lernen, denn sonst ginge das ganze angestrebte Ziel unseres Studiums der Meditation verloren, und wir würden nur Verantwortung erhöhen, ohne einen wirklichen Fortschritt auf dem Wege selbst gemacht zu haben. Hier erheben sich also zwei sachgemässe Fragen, die Aufmerksamkeit verdienen. Erstens: Kann jemand, der den lebhaften Wunsch hat, diesen Weg zu gehen, durch die Technik der Meditation Nutzen ziehen und diese meistern? Zweitens: Die Wissenden des Ostens erlangten dadurch Erleuchtung, dass sie sich von der Welt in die Abgeschlossenheit und Stille zurückzogen. Die Lebensbedingungen unserer abendländischen Zivilisation erlauben dies jedoch nicht. Besteht da eine Hoffnung auf Erfolg, auch wenn wir uns nicht in die Einsamkeit, in Wälder und Dschungel, oder in klösterliche Abgeschlossenheit zurückziehen? Wir wollen jede dieser Fragen vornehmen und sie behandeln. Sie müssen behandelt und beantwortet werden, bevor wir darangehen können, die Meditationsarbeit zu umreissen und die Methode anzugeben, deren Befolgung empfohlen werden kann. In Beantwortung der ersten Frage bezüglich der allgemeinen Eignung der Aspiranten für dieses schwere und mühevolle Werk sollte man sich gleich von Anfang an vor Augen halten, dass gerade der innere Drang dazu als ein Ruf der Seele, den Pfad der Erkenntnis zu beschreiten, angesehen werden kann. Niemand sollte sich abhalten lassen, auch wenn er entdecken sollte, dass ihm in gewissen Hauptpunkten die notwendigen Eigenschaften fehlen. Die meisten von uns sind tüchtiger und weiser, und auch besser ausgerüstet, als wir annehmen. Wenn wir wollten, könnten wir alle sofort mit der Konzentration beginnen. Wir besitzen eine Menge Kenntnisse, mentale Kräfte und Fähigkeiten, die wir aus dem Reich des Unterbewussten noch niemals hervorgeholt und nutzbar gemacht haben. Jeder, der die Wirkung der Meditation auf den Anfänger beobachtet hat, wird diese Feststellung oft zur Bestürzung des Anfängers, der mit seinen Entdeckungen nichts anzufangen weiss bestätigen. Die Ergebnisse des ersten Schrittes zur Meditation, nämlich der Konzentration, sind oft erstaunlich. Die Menschen «entdecken» sich selbst; sie entdecken in sich verborgene Fähigkeiten und ein Begriffsvermögen, das sie bisher noch niemals benutzt hatten; sie entwickeln ein Wahrnehmungsvermögen sogar für die Erscheinungswelt das ihnen wunderbar erscheint; sie stellen plötzlich fest, dass es tatsächlich ein Denkvermögen gibt, das man sich zunutze machen kann, und der Unterschied zwischen dem Erkennenden und dem Werkzeug des Erkennens, wird immer klarer ersichtlich. Gleichzeitig aber macht sich auch ein Gefühl des Verlustes bemerkbar. Die alten träumerischen Zustände von Gottseligkeit und Friede, die ihnen mystisches Gebet und Meditation beschert hatten, verschwinden; zeitweilig haben sie daher ein Gefühl der Dürftigkeit, des Mangels und der Leere, das oft äusserst bedrückend ist. Es entsteht aus der Tatsache, dass sich das Hauptaugenmerk von den sinnlich erfassbaren Dingen wie schön sie auch sein mögen abwendet. Die Dinge aber, die das Denkvermögen kennt und erfassen kann, werden noch nicht wahrgenommen, und der Empfindungsapparat beeindruckt das Bewusstsein noch nicht in der gewohnten Weise. Es ist eine Übergangsperiode und muss solange ertragen werden, bis die neue Welt auf den Aspiranten Eindruck zu machen beginnt. Das ist einer der Gründe, warum Ausdauer und Beharrlichkeit besonders in den frühen Stadien des Meditationsprozesses so wichtig sind. Eine der ersten Wirkungen der Meditationsarbeit besteht gewöhnlich in einer höheren Leistungsfähigkeit im täglichen Leben, sei es nun zu Hause, im Beruf oder auf einem anderen Gebiete menschlicher Bestrebungen. Mentale Hingabe an die Pflichten des Lebens ist an sich eine Konzentrationsübung und zeitigt bemerkenswerte Ergebnisse. Ob nun ein Mensch durch Anwendung der Konzentration und Meditation schliesslich die Erleuchtung erlangt oder nicht, eines ist gewiss: er wird auf alle Fälle viel gewonnen und sein Leben sehr bereichert haben; seine Nützlichkeit und seine Kräfte werden ausserordentlich zunehmen und sein Einflussbereich wird sich erweitern. Allein vom rein weltlichen Standpunkt aus ist es also nützlich, meditieren zu lernen. Wer will bestreiten, dass eine grössere Leistungsfähigkeit im Leben und im Dienst nicht ebensosehr ein Schritt auf dem Pfade geistigen Fortschritts ist wie eine Vision des Mystikers? Die geistigen Ergebnisse mentalen Fleisses in unserer westlichen Geschäftswelt können letzten Endes vielleicht ein ebenso wichtiger Beitrag zur Gesamtsumme geistiger Bemühungen sein wie irgendwelche Auswirkungen aus der Welt organisierter religiöser Bestrebungen. Konfuzius lehrte vor vielen Jahrhunderten, dass die Leistungen der Zivilisation ihrem Wesen nach hochgeistig seien, denn sie sind Endergebnisse von IDEEN; und Hu Shih sagt in seinem interessanten Symposion WOHIN GEHST DU MENSCHHEIT ... «dass eine Zivilisation, die auf der Suche nach Wahrheit von der menschlichen Intelligenz und vom Scharfsinn den grösstmöglichen Gebrauch macht, um die Natur zu beherrschen und Materie zum Nutzen der Menschen umzuwandeln, um den menschlichen Geist von Unwissenheit, Aberglauben und der Knechtung durch die Naturkräfte zu befreien, um soziale und politische Einrichtungen zum Wohle einer grösstmöglichen Anzahl von Menschen zu reformieren, dass eine solche Zivilisation in hohem Masse idealistisch und geistig ist». [*U54] Unsere Vorstellung darüber, was Geistigkeit bildet oder ausmacht, hat sich ständig erweitert. Wir haben gesehen, dass durch Verlangen, Gefühle und infolge der Reaktionen der emotionellen Natur viele Tausende von Menschen an jenem Punkt angelangt sind, wo sie sich getrieben fühlen, Verlangen in Aspiration, Gefühl in Empfindungsfähigkeit gegenüber geistigen Dingen, und Eigenliebe in Gottesliebe umzuwandeln. So kommt der Mystiker zustande. Infolge der Anwendung des Denkvermögens im Geschäftsleben, bei der Berufsarbeit, in Kunst und Wissenschaft erlebten wir zwei erstaunliche Dinge: In den organisierten Grossunternehmen mit ihren selbstsüchtigen Interessen und materiellen Ideen hat sich ein Gruppenbewusstsein eingestellt; Gruppenbeziehungen und die Interessen der grossen Masse werden zum ersten Male ernsthaft in Erwägung gezogen. Das sind nun rein geistige Ergebnisse; sie deuten auf wachsende Seelen-Bewusstheit hin und sind die schwachen Anzeichen der kommenden Bruderschaft der Seelen. Die angewandte Wissenschaft hat sich auf allen Gebieten jetzt so weit entwickelt, dass sie in das Reich der Energie und der reinen Metaphysik eingedrungen ist. Das Studium der Materie hat uns in das Reich der Mystik und des Transzendenten geführt. Wissenschaft und Religion reichen einander in der Welt des Unsichtbaren und Immateriellen die Hände. Dies sind Schritte in der rechten Richtung. Sobald sich durch unsere abendländische Technik in der Geschäftswelt (eine gewaltige Konzentrationsschule) die mentalen Fähigkeiten bei den Völkern entwickelt haben, muss unweigerlich eine Umwandlung einsetzen, die der im Bereich der Begierdennatur gleicht, und diese hat sich auch schon öfters vollzogen. Das Denkvermögen kann dann auf die wahren und höheren Werte neu eingestellt und auf eine andere Richtung als die materiellen Lebens, konzentriert werden. Auf diese Weise wird der Wissende in Erscheinung treten. Daher kann jeder, der nicht ausgesprochen emotionell veranlagt ist, gute Erziehung besitzt und den Willen zu unermüdlicher Arbeit aufbringt, das Studium der Meditation guten Mutes in Angriff nehmen. Er kann beginnen, sein Leben systematisch zu ordnen, so dass die ersten Schritte auf dem Pfad zur Erleuchtung gemacht werden können; diese Umstellung ist eine der schwierigsten Massnahmen. Man muss sich dabei natürlich vor Augen halten, dass aller Anfang schwer ist, denn es müssen die Gewohnheiten und Rhythmen vieler Jahre aufgegeben werden. Wenn aber einmal die ersten Schritte unternommen und gemeistert wurden, wird die Arbeit leichter. Es ist ja auch weit schwieriger, lesen zu lernen, als ein schwieriges Buch zu verstehen. Die alte Wissenschaft der Meditation die «königliche Strasse zur Vereinigung», wie sie genannt wurde könnte ebensogut die Wissenschaft der Koordinierung (der harmonischen Anpassung) genannt werden. Wir haben bereits durch den Entwicklungsprozess gelernt, die Emotional-Gefühls-Begierdennatur mit dem physischen Körper derart zu koordinieren (in Übereinstimmung zu bringen), dass sich die Zustände automatisch und oft unwiderstehlich einstellen; der physische Körper ist dann einfach ein Automat, ein Werkzeug des Verlangens - hoch oder niedrig - gut oder schlecht - wie der Fall eben liegt. Viele beginnen nun, das Denkvermögen mit diesen beiden in Übereinstimmung zu bringen, und wir sind jetzt im Begriff, diese Gesamtheit, die ein menschliches Wesen ausmacht - die mentale, emotionelle und physische Natur - vermittels unserer gegenwärtigen, weitverbreiteten Erziehungssysteme zu einer Einheit zu verschmelzen. Durch Konzentration und die Anfangsstufen der Meditationstätigkeit wird diese Koordinierung sehr beschleunigt; später folgt dann die Vereinigung des dreifachen niederen Menschen mit einem weiteren Faktor, mit der Seele. Dieser Faktor ist schon immer vorhanden gewesen, genau so wie die Menschen - wenn sie nicht gerade Idioten sind -, seit jeher ein Denkvermögen besitzen; aber dieser Faktor ruht noch, und zwar so lange, bis die richtige Zeit kommt und die notwendige Vorarbeit geleistet wurde. All dies ist nur eine Frage des Bewusstseins. Professor Max Müller sagt in seinem Buche: THEOSOPHIE ODER PSYCHOLOGISCHE RELIGION: «Wir müssen uns vor Augen halten, dass das fundamentale Prinzip der Vedanta-Philosophie nicht "Du bist ER", sondern "Du bist DAS!" war; und es hiess nicht: Du WIRST SEIN, sondern du BIST. Dieses "du BIST" drückt etwas aus, das ist, das schon immer war und immer sein wird, nicht aber etwas, das erst erreicht werden muss, oder einmal z.B. nach dem Tode kommen soll. ... Durch wahre Erkenntnis wird die individuelle Seele nicht erst Brahman sondern IST bereits Brahman, sobald sie erkannt hat, was sie wirklich ist und immer wahr». [*U55] Der Hl. Paulus betont dieselbe Wahrheit, wenn er von «Christus in mir, die Hoffnung auf Herrlichkeit» spricht. Diese innewohnende Realität wird durch das geschulte und konzentrierte Denkvermögen erkannt, und die DREI in EINEM und der EINE in DREIEN sind in der natürlichen Evolution des Lebens Gottes im Menschen erwiesene Tatsachen. Es ist daher klar, dass die Antwort auf unsere erste Frage folgendermassen lautet: Erstens: Wir anerkennen die Hypothese, dass es eine Seele gibt, und dass diese Seele von dem Menschen, der sein Denkvermögen schulen und beherrschen kann, erkannt werden kann. Zweitens: Auf Grund dieser Hypothese beginnen wir die drei Aspekte der niederen Natur zu koordinieren, und den Denk-Emotional und physischen Körper zu einem planvoll organisierten und umfassenden Ganzen zu vereinen. Dies erreichen wir durch methodische Konzentration. Drittens: In dem Masse, wie die Konzentration in der Meditation (der verlängerten Konzentration) aufgeht, beginnt der Einfluss des Willens der Seele sich auf das Denkvermögen auszuwirken. Ganz allmählich kommen Seele, Denkvermögen und Gehirn miteinander in eine enge Beziehung und Verbindung. |
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Last updated Saturday, February 14, 1998 © 1998 Netnews Association. All rights reserved. |