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Vom Intellekt zur Intuition, Seite 57 ff. (engl.) |
auf das Denken zu reagieren, wobei man dieses, wie es so selten der Fall ist,
als den Interpreten des spirituellen Selbst, der Seele, ansieht. Dieser, durch
Empfindungen und Wünsche charakterisierte Emotionalkörper wirkt in den meisten
Fällen auf den physischen Körper äusserst machtvoll ein. Letzterer wird vom
Esoteriker als reiner Automat angesehen, der durch die Wunschnatur zum Handeln
veranlasst und durch die Vitalenergie mit Tatkraft erfüllt wird.
In dem Masse, als die Menschheit in der Entwicklung fortschreitet, entsteht ein anderer «Körper»; der Denk-Körper entfaltet seine Tätigkeit und übernimmt allmählich eine aktive und natürliche Kontrolle. Gleich dem physischen und emotionellen Organismus wendet sich dieser mentale Mechanismus anfangs gänzlich der Aussenwelt zu und wird durch die über die Sinne aus der äusseren Welt kommenden Eindrücke aktiv. Dadurch dass er immer positiver wird, beginnt er langsam, aber sicher die anderen Erscheinungs-Aspekte des Menschen zu beherrschen, bis die Persönlichkeit in allen vier Aspekten vervollständigt und als funktionierende Wesenheit auf der physischen Ebene vereinheitlicht ist. Wenn dies eintritt, ist ein Krisenpunkt erreicht, von dem aus neue Entwicklungen und Entfaltungen möglich werden. Während dieser ganzen Zeit wirken die beiden Energien der Seele - Leben und Denken - durch die Vehikel, ohne dass dem Menschen deren Herkunft und Absicht bewusst wird. Als Ergebnis dieses Wissens ist er nun ein intelligentes, aktives, hochwertiges menschliches Wesen. Aber wie Browning es ausdrückt: «Im vollendeten Menschen beginnt erneut ein Hinstreben zu Gott» [*U25], und er wird durch eine göttliche Unrast zu bewusster Wahrnehmung und zu bewusstem Kontakt mit seiner Seele getrieben jenem unsichtbaren Faktor, den er wohl verspürt, persönlich aber nicht wahrnimmt. Nun beginnt für ihn ein Prozess der Selbsterziehung und intensiven Erforschung seines wahren Wesens. Seine Persönlichkeit, die sich nach aussen zur Welt des physischen, emotionellen und mentalen Lebens hinwandte und ihr Hauptaugenmerk nur dorthin richtete, macht nun eine geistige Umstellung durch und wendet sich dem inneren Selbst zu. Sie konzentriert sich subjektiv und hat die Hervorbringung jenes «Tieferen Seins», von dem Keyserling spricht, zum Ziel. Bewusste Vereinigung mit der Seele wird gesucht und zwar nicht nur vom Empfindungs- und Sinnesstandpunkt des hingebungsvollen Gläubigen und Mystikers aus; unmittelbares Erleben wird gesucht. Erkenntnis des göttlichen Selbstes und mentale Vergewisserung der Tatsache des innewohnenden Sohnes Gottes wird das Ziel aller Bemühungen. Dies ist nicht die Methode des mystischen Schwärmers, der durch die zwingende Liebe seiner emotionellen Natur nach Gott suchte; es ist vielmehr die Methode intellektueller Annäherung und Unterordnung der ganzen Persönlichkeit im Streben nach geistigen Wirklichkeiten. Alle rein mentalen Menschentypen und alle wahrhaft harmonischen Persönlichkeiten sind im Grunde des Herzens Mystiker und sind zu irgend einer Zeit oder in irgend einer Inkarnation durch das mystische Stadium gegangen. Wenn der Intellekt zunimmt und das Denkvermögen sich entwickelt, mag dies vorübergehend in den Hintergrund treten und für einige Zeit in den Bereich des Unterbewusstseins verbannt werden. Schliesslich aber wird der Nachdruck unvermeidlich auf den Willen zu wissen gelegt, und der Lebensdrang (unbefriedigt von den äusseren und sichtbaren Erscheinungsformen) richtet sich auf ein Erkennen der Seele und den Gebrauch des Denkvermögens zur Erfassung geistiger Wahrheit. Kopf und Herz vereinigen sich in ihrem Bestreben. Denken und reine Vernunft verschmelzen mit Liebe und Hingabe in einer völligen Umstellung der Persönlichkeit auf einen neuen Wahrnehmungsbereich. Neue Bewusstseinszustände werden empfunden, eine neue Erscheinungswelt wird allmählich wahrgenommen und es beginnt dem Aspiranten zu dämmern, dass sein Lebensbrennpunkt und sein Bewusstsein über alle früheren Bestrebungen hinauswachsen können. Er erkennt, dass er mit Gott gehen, im Himmel weilen und einer neuen Welt innerhalb der bekannten äusseren Formen teilhaftig werden kann. Er fängt an, sich als bewusster Bürger eines anderen Naturreiches, des spirituellen, zu betrachten, das genau so real und lebendig, genau so geordnet und phänomenal ist wie irgend ein uns bekanntes. Er nimmt ständig den Standpunkt der Seele ihrem Instrument, dem menschlichen Körper gegenüber, ein. Er betrachtet sich nicht länger als einen Menschen, der von seinen Gefühlen beherrscht, durch Energie angetrieben und durch sein Denken gelenkt wird, sondern erkennt sich als das Selbst, das mit Hilfe des Denkvermögens denkt, durch die Emotionen empfindet und bewusst handelt. Wenn dieses Bewusstsein sich festigt und dauerhaft wird, ist die Entwicklung in seinem Falle beendet, das grosse Einswerden vollbracht und die Vereinigung zwischen dem Selbst und seinem Ausdrucksvehikel hergestellt. So inkarniert sich bewusst ein himmlischer Sohn Gottes. Durch die Erziehungsarbeit in all ihren vielen Zweigen ist die Koordinierung der Persönlichkeit ausserordentlich beschleunigt worden. Die Geistesverfassung der Menschheit geht stetig der Vollendung entgegen; und diese Menschheit ist durch ihre riesigen Gruppen gebildeter und mental-konzentrierter Individuen zur Selbstbestimmung und Seelen-Lenkung herangereift. Nun kann die intensive Ausbildung des Einzelmenschen - wie sie im östlichen System gelehrt wird - in Angriff genommen werden. Die Erziehung und neue geistige Einstellung des fortgeschrittenen Menschen muss in unserer Massenerziehung ihren Platz finden. Dafür tritt dieses Buch ein und deshalb wurde es geschrieben. Wie kann nun der Mensch seine Seele finden und sich der Tatsache ihrer Existenz vergewissern? Wie kann er sich den Bedingungen des Seelen-Lebens neu anpassen und anfangen, bewusst und gleichzeitig als Seele und als Mensch zu funktionieren? Was muss er tun, um diese unbedingt notwendige Vereinigung der Seele mit ihrem Instrument zu erreichen, wenn er seine drängenden Naturtriebe jemals befriedigen will? Wie kann er wissen und nicht bloss glauben, hoffen und streben? Die erfahrene Stimme östlicher Weisheit bringt uns dafür ein Wort: Meditation. Selbstverständlich erhebt sich hier die Frage: «Ist das alles?» und die Antwort lautet: «Ja». Wenn Meditation richtig befolgt wird und wenn Ausdauer der Leitgedanke des Lebens ist, dann wird ein immer stärkerer Kontakt mit der Seele hergestellt. Die Ergebnisse dieses Kontaktes wirken sich in der Erlangung von Selbstdisziplin, Läuterung und einem Leben geistigen Strebens und Dienens aus. Meditation im östlichen Sinne ist wie wir sehen werden - ein ausgesprochen mentaler Prozess, der zu seelischem Wissen und zur Erleuchtung führt. Es ist eine Tatsache in der Natur: «Wie der Mensch denkt, so ist er». Kapitel IV Die Ziele der Meditation «Vereinigung wird durch Unterwerfung der psychischen Natur und durch Zügelung des Denk-Stoffes erreicht. Wenn dies vollbracht ist, erkennt sich der Yogi, wie er in Wirklichkeit ist». Patanjali. Unter der Annahme, dass die in den vorausgegangenen Kapiteln dargelegten Theorien richtig sind, könnte eine klare Feststellung darüber wertvoll sein, welchem endgültigen Ziele der gebildete Mensch zustrebt, wenn er den Weg der Meditation beschreitet, und in welcher Weise sich Meditation von dem, was die Christen Gebet nennen, unterscheidet. Klares Denken ist für beide Punkte wesentlich, wenn wir praktische Fortschritte machen wollen, denn die dem Forscher bevorstehende Aufgabe ist nicht leicht; er wird mehr als nur vorübergehenden Enthusiasmus und zeitweiliges Streben nötig haben, wenn er diese Wissenschaft meistern und in ihrer Technik bewandert werden will. Wir wollen nun den zweiten Punkt zuerst betrachten und die beiden Methoden: Meditation und Gebet einander gegenüberstellen. Gebet kann vielleicht am besten mit einigen, uns allen wohlbekannten Worten von J. Montgomery beschrieben werden: «Gebet ist der Seele ernstes Verlangen Ausgesprochen oder nur gedacht, Bewegung verborgenen Feuers, Zitternd in der Brust». Der darin enthaltende Gedanke ist der des Verlangens und der Bitte; und die Quelle dieses Verlangens ist das Herz. Es darf aber nicht vergessen werden, dass der Herzenswunsch der Erlangung sowohl jener Besitztümer, nach denen die Persönlichkeit verlangt, als auch jenes himmlischen und transzendentalen Besitzes, den die Seele ersehnt, dienen kann. Was immer es auch sein mag, die zugrunde liegende Idee ist das Verlangen nach Erwünschtem und die Erwartung der Erfüllung; manches wird auch schliesslich erlangt, wenn der Glaube des Bittenden genügend stark ist. Meditation unterscheidet sich vom Gebet darin, dass sie hauptsächlich auf einer richtigen Einstellung oder Richtunggebung des Denkvermögens beruht, woraus sich Anschauungen und Erkenntnisse ergeben, aus denen sich formuliertes Wissen entwickelt. In den Köpfen vieler besteht hinsichtlich dieser Unterscheidung grosse Unklarheit und Bianco von Siena sprach tatsächlich von Meditation, als er sagte: «Was ist Gebet anderes als direktes Hinwenden der Gedanken zu Gott». Die in ihrer Wunschnatur polarisierten Volksmassen mit vorherrschend mystischer Neigung bitten um das, was sie brauchen; sie kämpfen im Gebet um die Erlangung ersehnter Tugenden, sie bitten eine erhörende Gottheit um Linderung ihrer Nöte; sie legen Fürsprache für jene ein, die ihnen lieb und teuer sind; sie belästigen (die himmlischen Mächte mit Bitten um jene - materiellen oder geistigen - Besitztümer, die sie zu ihrer Glückseligkeit als notwendig erachten. Sie erstreben und ersehnen Eigenschaften, Umstände und jene bestimmenden Faktoren, die ihr Leben erleichtern und ihnen eine vermeintliche Unabhängigkeit verschaffen würden, um mehr nützen zu können; sie beten in quälender Angst um Befreiung von Leiden und Krankheit und versuchen, Gott zur Erhörung ihrer Bitten zu veranlassen. Die Hauptmerkmale des Gebetes sind also Bitte, Verlangen und Erwartung, wobei das Verlangen vorherrscht und das Herz beteiligt ist. Das emotionelle Wesen und die Gefühlsnatur des Menschen sind es also, die nach dem, was notwendig ist, trachten, und der Bereich dieser Bedürfnisse ist gross und echt. Es ist die Hinwendung des Herzens zu Gott. Vier Arten des Gebetes können erkannt werden: 1. Das Gebet um materielles Wohlergehen und um Hilfe. 2. Das Gebet um Charakterstärke und Tugendhaftigkeit. 3. Das Gebet für andere, also Fürbitte. 4. Das Gebet um Erleuchtung und göttliche Erkenntnis. Aus einem Studium dieser vier Gebetsarten ist zu ersehen, dass sie alle ihre Wurzeln im Verlangen haben und dass nur die vierte Art den Aspiranten dahin bringt, wo Gebet enden und Meditation beginnen kann. Seneca muss dies erkannt haben, als er sagte: «Kein anderes Gebet ist notwendig als die Bitte um eine gute Geistesverfassung, um Gesundheit (Unversehrtheit) der Seele». Meditation führt in das Mentalreich; an die Stelle des Verlangens tritt die praktische Vorbereitungsarbeit zu göttlicher Erkenntnis, und der Mensch, der seine lange Laufbahn und Lebenserfahrung mit der grundlegenden Qualität «Verlangen» begann, nun aber das Stadium der Verehrung der undeutlich erschauten göttlichen Wirklichkeit erlangt hat, verlässt jetzt die mystische Welt und kommt in die des Intellekts, der Vernunft und schliesslichen Erkenntnis und Anschauung. Gebet und disziplinierte Selbstlosigkeit bringen den Mystiker hervor; Meditation und planvoller, disziplinierter Dienst den Wissenden. Wie wir früher gesehen haben, empfindet der Mystiker göttliche Wahrheiten, erhascht (auf dem Höhepunkt seiner Aspiration) die mystische Vision und sehnt sich unaufhörlich nach ständiger Wiederholung des ekstatischen Zustandes, in den ihn sein Gebet, seine Anbetung und Verehrung versetzt haben. Gewöhnlich ist er ganz ausserstande, diese Einweihung nach Belieben zu wiederholen. Père Poulain vertritt in «Des Graces d'Oraison» die Ansicht, dass ein Zustand nur dann als mystisch anzusehen ist, wenn der Seher unfähig ist, diesen selbst herbeizuführen. In der Meditation ist das Gegenteil der Fall und der erleuchtete Mensch ist durch Wissen und Verstehen imstande, nach Belieben das Reich der Seele zu betreten und an dessen Leben und Bewusstseinszuständen intelligent teilzuhaben. Zu der einen Methode gehört das emotionelle Wesen und sie basiert auf dem Glauben an einen Gott, der gewähren kann. Die andere hat mit der mentalen Natur zu tun und beruht auf dem Glauben an die Göttlichkeit des Menschen selbst, obwohl sie die mystischen Voraussetzungen der anderen Gruppe keineswegs verneint. Man kann feststellen, dass die Worte Mystiker und mystisch ziemlich frei und ungenau gebraucht werden und nicht nur den reinen Mystiker mit seinen Visionen und Gefühlsreaktionen bezeichnen, sondern auch jene, die bereits in das Reich reiner Erkenntnis und Gewissheit übergehen. Sie umfassen Zustände, die auf reiner Aspiration und Devotion beruhend unerwartet und immateriell sind, sowie auch solche, die das Ergebnis methodischer intelligenter Annäherung an die Wirklichkeit sind, und deren Wiederholung nach Gesetzen, die dem Wissenden |
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