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Vom Intellekt zur Intuition, Seite 13 ff. (engl.)
«dass die Welt ein besserer Platz gewesen wäre, wenn sich mehr Menschen erst ihres Menschentums vergewissert hätten, bevor sie sich daran machten, übermenschlich zu werden». [*U9]

Vielleicht gibt es ein Zwischenstadium, worin wir rein als Menschen handeln, unsere menschlichen Beziehungen aufrecht erhalten, unseren gerechten Verpflichtungen nachkommen und dadurch unsere zeitliche Bestimmung erfüllen. Wenn wir uns aber erinnern, dass es auf unserem Planeten gegenwärtig Millionen von Analphabeten gibt, erhebt sich die Frage, ob ein solches Stadium gerade jetzt allgemein möglich ist.

Aber gleichzeitig mit dieser Neigung zu reiner Menschlichkeit und dem Abwenden von der Standardisierung des Einzelmenschen erscheint eine andere Gruppe, der wir die Bezeichnung Mystiker geben. Diese zeugen von einer anderen Erfahrungs- und Kontaktwelt. Sie berichten von einer persönlichen Anschauung, von wahrgenommenen Erscheinungen und von einer inneren Beglückung, von welcher der, Durchschnittsmensch nichts weiss. Wie Dr. Bennett sagt, «haben die Mystiker selber ihre Errungenschaft als ein Erkennen der dem Universum zugrunde liegenden Absicht, als ein Erschauen des Zusammenhanges aller Dinge bezeichnet. Sie haben den Schlüssel hierfür gefunden». [*U7]

Zu allen Zeiten sind sie hervorgetreten und haben übereinstimmend erklärt: es gibt ein anderes Reich in der Natur. Dieses Reich hat seine eigenen Gesetze, seine eigenen Phänomene und seine eigenen nahen Beziehungen. Es ist das Reich des Geistes. Wir haben es gefunden und auch ihr könnt dessen Art und Wesen feststellen. Diese Zeugen teilen sich in zwei Gruppen; in die der rein mystischen und emotionellen Suchenden, welche die Vision sehen und vor der Schönheit dessen, was sie empfunden haben, in erleuchtete Verzückung fallen, und zweitens in die der Wissenden, die der emotionellen Verzückung eine intellektuelle Vollendung (eine richtige Einstellung des Denkens) hinzugefügt haben, die sie instandsetzt, mehr zu erreichen als nur zu fühlen und sich daran zu erfreuen; sie verstehen; sie wissen und sind mit dieser neuen Seinswelt, in die der reine Mystiker eindringt, einsgeworden. Die Grenzlinie zwischen diesen Kennern göttlicher Dinge und denen, welche die Vision empfinden, ist sehr geringfügig.

Zwischen diesen beiden Gruppen gibt es aber auch ein Niemandsland, in dem sich ein grosser Übergang vollzieht. In der Erfahrung und Entwicklung gibt es daher eine Zwischenphase, die den visionären Mystiker in den praktischen Wissenden verwandelt. Es gibt ein Verfahren und eine Methode, der sich der Mystiker unterwerfen kann, die ihn harmonisch ausgeglichen macht und in ihm einen neuen, feinen Apparat entwickelt, mittels dessen er die Vision göttlicher Realität nicht nur sieht, sondern sich selbst als diese Realität erkennt. Eben mit diesem Übergangsprozess und dieser Schulung des Mystikers befasst sich die Technik der Meditation. Und davon handelt dieses Buch.

Das Problem, den Menschen in sein Erbe als menschliches Wesen zu führen, ist Aufgabe der Erzieher und Psychologen. Sie müssen ihn allmählich zum Tor der mystischen Welt leiten. Diese Aufgabe, ihn in sein geistiges Erbe einzusetzen, ist jedoch so paradox dies auch klingen mag Sache der Religion und Wissenschaft. Dr. Pupin führt aus, dass «Wissenschaft und Religion einander ergänzen; sie sind die beiden Pfeiler des Tores, durch das die menschliche Seele in die Welt der Göttlichkeit eintritt». [*U10]

Wir wollen dem Wort «spirituell» eine umfassende Bedeutung geben! Ich spreche hier nicht von religiösen Wahrheiten; die Formulierungen der Theologen und Kirchenmänner aller grossen östlichen und auch westlichen Religionsgemeinschaften mögen wahr oder auch nicht wahr sein. Wir wollen das Wort «spirituell» jedoch dafür benützen, um die Welt des Lichtes und der Schönheit, der Ordnung und der Zweckbestimmung zu bezeichnen, von der die Heiligen Schriften sprechen, die Gegenstand eifrigen Forschens der Wissenschaftler ist und in welche die Pioniere der menschlichen Familie stets eingedrungen sind, um nach ihrer Rückkehr über ihre Erfahrungen zu berichten. Wir wollen alle Manifestationen des Lebens als spirituell ansehen und dadurch die gewöhnliche Bedeutung dieses Wortes erweitern; wir meinen damit alle Energien und Kräfte, die jeder Form in der Natur zugrunde liegen und die allen Formen ihre wesentlichen Unterscheidungsmerkmale und Eigenschaften aufprägen. Seit tausenden von Jahren haben die Mystiker und Wissenden des ganzen Erdballs über ihre Erfahrungen in den subtileren Welten Zeugnis abgelegt, wo sie mit Kräften und Phänomenen, die nicht von dieser physischen Welt stammen, in Berührung gekommen waren. Sie sprechen von Begegnungen mit Engelscharen; sie berufen sich auf die grosse Menge von Zeugen; sie stehen mit den Älteren Brüdern der Menschheit in vertrautem Verkehr, die in anderen Dimensionen wirken und über Kräfte gebieten, von denen gewöhnliche Sterbliche nichts wissen; sie berichten von Licht und Herrlichkeit; von direkter Erkenntnis der Wahrheit und von einer Erscheinungswelt, die bei den Mystikern der ganzen Menschheit die gleiche ist. Dass vieles dieser Zeugenschaft unter Hinweis auf Halluzination abgelehnt werden kann, mag wahr sein; dass viele Heilige der Vergangenheit psychopathische Fälle und Neurotiker waren, mag gleichfalls wahr sein; immerhin aber bleibt ein Rest von Zeugenschaft und eine genügend grosse Anzahl ehrbarer Zeugen, welche dieses Bekenntnis bestätigen und unseren Glauben an dessen Wahrhaftigkeit stärken. Diese Zeugen für die unsichtbare Welt sprachen mit machtvollen Worten und brachten Botschaften, welche die Gedanken der Menschen geformt und dem Leben von Millionen Richtung gegeben haben. Sie behaupteten, dass es eine Wissenschaft geistiger Erkenntnis und eine Entwicklungstechnik gäbe, wodurch die Menschen zur mystischen Erfahrung gelangen und Gott erkennen können.

Eben diese Wissenschaft werden wir in diesem Buch studieren und gerade diese Methode wollen wir zu entwickeln versuchen. Sie befasst sich mit dem richtigen Gebrauch des Denkvermögens, wodurch sich die Welt der Seele offenbart und das geheime Tor gefunden und geöffnet wird, das aus Dunkelheit zum Licht, vom Tod zur Unsterblichkeit und vom Unwirklichen zum Wirklichen führt.

Die endgültige Lösung unseres Weltproblems liegt darin, zu diesem Wissen zu kommen einem Wissen, das weder östlich noch westlich, sondern beiden Seiten bekannt ist. Wenn wir dem Orient die Hände gereicht und wenn wir die besten Gedanken des Ostens mit denen des Westens vereinigt haben, werden wir eine synthetische, ausgeglichene Lehre besitzen, welche die kommenden Generationen befreien wird; sie muss aber auf erzieherischem Gebiete begonnen und bei der Jugend angewendet werden.

Im Westen wurde das Bewusstsein auf die materiellen Aspekte des Lebens konzentriert, und unsere ganze mentale Kraft war auf die Kontrolle und Nutzbarmachung materieller Dinge, auf die Vervollkommnung physischen Komforts und auf die Anhäufung von Besitztümern gerichtet gewesen. Im Osten hingegen, wo die geistigen Wirklichkeiten einheitlicher bewahrt worden waren, wurde Gedankenkraft in der Konzentration, Meditation und in tief schürfenden philosophischen und metaphysischen Studien angewandt; die Masse des Volkes aber, dessen nicht fähig, verblieb - vom Standpunkt physischer Lebensführung - in ganz schrecklichen Verhältnissen. Durch Verschmelzung der Errungenschaften beider Zivilisationen (die nun mit grösster Beschleunigung vor sich geht) wird ein Ausgleich geschaffen, durch den die Menschheit als Ganzes in die Lage versetzt wird, ihre volle Wirkungskraft ersichtlich zu machen. Der Osten wie auch der Westen beginnen allmählich zu gegenseitigem Nutzen von einander zu lernen, und die Arbeit auf diesem Gebiet ist eines der grundlegenden und notwendigen Dinge der gegenwärtigen Epoche.

Kapitel II

Der Zweck der Erziehung

« ... Erziehung erfährt wichtige Umbildungen. Von einem relativ äusserlichen Vorgang des Eintrichterns von Tatsachen entwickelt sie sich immer mehr zu einem Herausholen tieferer, fruchtbarerer Möglichkeiten, die im Individuum vorhanden sind».

H. A. Overstreet.

Einer der vielen Faktoren, der die Menschheit auf ihre jetzige Entwicklungsstufe gebracht hat, war die Zunahme und Vervollkommnung ihrer Erziehungsmethoden und -Systeme. Diese lagen zuerst in den Händen der organisierten Religionen, sind aber jetzt praktisch der Kontrolle dieser religiösen Körperschaften entzogen und unterstehen dem Staate. In der Vergangenheit wurde die Erziehung weitgehend von der Theologie beeinflusst, und deren Methoden wurden von Kirchenmännern und Priestern bestimmt. Heute wird der umfangreiche Lehrkörper durch den Staat geschult; jede religiöse Tendenz wird wegen der vielen verschiedenen Religionsgemeinschaften ausgeschaltet und der Unterricht ist fast gänzlich materialistisch und wissenschaftlich. In der Vergangenheit umfasste die Erziehung im Osten wie auch im Westen die höher entwickelten Glieder der menschlichen Gesellschaft. Heute herrscht die Massenerziehung vor. Diese beiden Faktoren müssen im Auge behalten werden, wenn wir die zukünftige und - wie wir glauben - höhere Erziehung untersuchen und verstehen wollen, denn nur durch die Synthese beider Methoden - Einzel- und Massenerziehung - religiös und wissenschaftlich - wird der Ausweg gefunden werden.

Wie alles in dieser Übergangsperiode befinden sich auch unsere Erziehungssysteme in einem Zustande ständigen Wechsels und Wandels. Mit dem allgemeinen Empfinden, dass für die Hebung des menschlichen Denk-Niveaus bereits viel getan wurde, macht sich aber überall auch ein tiefes, aus dem Unterbewusstsein kommendes Gefühl der Unzufriedenheit mit den erzielten Erfolgen bemerkbar. Wir fragen uns, ob unsere Erziehungssysteme auch tatsächlich das Beste für alle leisten. Wir würdigen den ungeheueren Fortschritt während der letzten zweihundert Jahre, bezweifeln aber, ob wir vom Leben auch ebenso viel herausbekommen, wie dies für Leute mit einer entsprechenden Schulung möglich sein sollte. Wir sind ja so selbstzufrieden mit unseren zunehmenden Kenntnissen, mit unserer Anhäufung von Wissen und unserer Beherrschung der Naturkräfte, und doch führen wir akademische Debatten darüber, ob wir eine wahre Kultur haben. Wir lehren unsere Kinder, eine ungeheure Menge Tatsachen und Einzelheiten im Gedächtnis zu behalten, und doch fragen wir uns manchmal, ob wir sie auch lehren, befriedigender zu leben. Wir wenden für den Bau und die Ausstattung von Universitäten und Hochschulen Milliardenbeträge auf und doch sind unsere weitsichtigsten Erzieher ernstlich besorgt, ob diese organisierte Erziehung wirklich den Bedürfnissen des Durchschnittsbürgers entspricht. Gewiss scheint sie beim aussergewöhnlichen Kind und beim begabten Menschen ihre Aufgabe zu verfehlen. Unsere Art der Jugenderziehung steht entschieden vor einer neuen Wertbeurteilung. Nur die Zukunft kann entscheiden, ob nicht ein Ausweg gefunden werden muss, damit die Kultur des Individuums sich zugleich mit der durch Erziehung erreichten Zivilisation der Massen entfalten kann.

Im Zeitalter wissenschaftlicher Vervollkommnung und Gedankensynthese auf jedem Gebiete menschlicher Erkenntnis sagt Dr. Rufus M. Jones, einer unserer Erzieher:

«Leider aber macht uns keine dieser Errungenschaften zu besseren Menschen. Es gibt keine Gleichung zwischen Bankkonten und Herzensgüte. Wissen ist keineswegs dasselbe wie Weisheit oder Geistesadel. ... Nie zuvor hat die Welt eine solche riesige Armee von Erziehern der Landjugend gesehen, nie zuvor gab es in der Weltgeschichte solche grosszügige Zuwendungen für niedere und höhere Erziehung. Die Gesamtwirkung aber enttäuscht und verfehlt ihr Ziel.

Unsere Lehranstalten bringen einige gute Akademiker hervor und bieten einer grossen Anzahl von Studierenden eine Fülle wissenschaftlicher Tatsachen; in den wesentlichen Belangen der Erziehung aber, die in Charakterbildung, in der Kultivierung des Geistes und der Heranbildung der Seele besteht oder bestehen sollte, macht sich ein klägliches Versagen bemerkbar». [*U11]

Die alten Mütter Asien und Europa schulten und kultivierten bis in das achtzehnte Jahrhundert den Einzelmenschen. Den sogenannten oberen Klassen und jenen Menschen, die für geistige Kultur eine ausgesprochene Befähigung zeigten, wurde eine gründliche Erziehung zuteil. Unter dem brahmanischen System des Ostens und in den Klöstern des Westens wurde jenen, die daraus Vorteil ziehen konnten, eine Spezialausbildung gegeben, so dass sich aussergewöhnliche Persönlichkeiten entfalteten, die dem menschlichen Denken bis in die heutige Zeit ihr Gepräge gaben. Unsere moderne restliche Welt hat dagegen die Massenerziehung eingeführt. Zum ersten Mal wird den Menschen zu Tausenden der Gebrauch ihres Denkvermögens gelehrt; sie beginnen, ihre eigenen Individualitäten geltend zu machen und sich ihre eigenen Ideen zu bilden. Die Freiheit menschlichen Denkens, die Befreiung von der Herrschaft religiöser oder wissenschaftlicher Theologien ist der Schlachtruf der Gegenwart, und es wurde dadurch viel gewonnen. Die Massen beginnen selbst zu denken. Es ist dies aber grösstenteils ein Massendenken, und so wie früher die Theologen die Meinung beeinflussten, so formt jetzt die jeweilige öffentliche Meinung das Denken. Dem bahnbrechenden Individuum begegnen in der gegenwärtigen Welt beim Durchsetzen seiner Gedanken und Bestrebungen genau so grosse Schwierigkeiten wie früher.

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Last updated Saturday, February 14, 1998           © 1998 Netnews Association. All rights reserved.